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Hey Schiri! Michael Ballack kann es nicht fassen, dass Tom Henning Övrebö nicht auf Elfmeter für Chelsea entschieden hat.

© Daniel Hambury/dpa

Kolumne: Meine Champions League: Övrebö und der Raub an der Stamford Bridge

Am Mittwoch empfängt der FC Barcelona den FC Chelsea im Achtelfinale der Champions League. Die Londoner haben schlechte Erinnerungen an das Duell.

Die Schlusspointe gehört Ballack. Wie es der Zufall so will, steht er direkt neben Tom Henning Övrebö, dem Schiedsrichter und unfreiwilligen Hauptdarsteller dieses denkwürdigen Abends an der Stamford Bridge. Es laufen die letzten Sekunden der Nachspielzeit, als der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft einen letzten Versuch unternimmt, das Glück auf die Seite seines FC Chelsea zu zwingen. Alle seine Kollegen belagern das Tor des FC Barcelona, sogar der Torhüter Petr Cech, er wirft sich beim finalen Eckstoß ins Getümmel und ist mit seinem Körpereinsatz daran beteiligt, dass der nur halbherzig abgewehrte Ball zum linken Strafraumeck fliegt, direkt auf den Fuß von Michael Ballack. Der schießt sofort und reißt gleich darauf die Arme hoch, allerdings nicht zum Zeichen des Jubels.

Für ein paar Sekunden stehen Ballack und Övrebö Schulter an Schulter, sie haben beide beste Sicht auf die Flugbahn des Balles und bewerten deren jähe Unterbrechung doch höchst unterschiedlich. Chelseas Mittelfeldmann will ein Handspiel von Barcelonas Samuel Eto'o gesehen haben, der Schiedsrichter nur einen erlaubten Körperkontakt. Ballack baut sich vor dem Schiedsrichter auf und schlägt wie ein Hampelmann immer wieder die Hände über dem Kopf zusammen. Dann jagt er ihn über den halben Platz und brüllt sich die Kehle aus dem Hals.

Hilft alles nichts. Ballack und Chelsea bekommen auch in der vierten diskussionswürdigen Entscheidung des Abends keinen Elfmeter zugesprochen. Sekunden später ist das Spiel vorbei und der FC Barcelona steht im Endspiel der Champions League. Nach einem 0:0 im Camp Nou von Barcelona und einem 1:1 an der Stamford Bridge. Niemand diskutiert in den Tagen nach diesem 6. Mai 2009 über die Legion von Chelseas vergebenen Torchancen, über Chelseas frühes Führungstor durch Michael Essien oder Andres Iniestas späten Ausgleich. „Wir sind beraubt worden“, wütet Chelseas Trainer Guus Hiddink, Kapitän Didier Drogba steht kurz davor, dem Schiedsrichter den Zeigefinger ins Auge zu bohren und muss von seinen Kollegen vor weiteren Ausfällen bewahrt werden.

"Es war nicht mein bester Tag!"

An diesem Mittwoch trifft Chelsea erneut in einem Rückspiel in der K.o.-Runde auf Barcelona. Diesmal auswärts im Camp Nou, wieder hat es daheim ein 1:1 gegeben, diesmal im Hinspiel des Achtelfinales. Ballack und Drogba haben ihre Karrieren längst beendet, Torhüter Cech spielt seit drei Jahren für Arsenal. Als letzter Chelsea-Spieler von 2009 ist John Terry im vergangenen Sommer zurückgetreten. Und doch ist der Abend von damals allgegenwärtig. Als Övrebö, auch er pfeift längst nicht mehr, dem spanischen Fachblatt „Marca“ vor ein paar Wochen ein Interview gab, stürzten sich alle englischen Blätter auf die Kernaussage des Norwegers, die da lautete: „Es war nicht mein bester Tag!“

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Das ist wohl richtig. Övrebö lag bei einigen Entscheidungen daneben, aber keinesfalls bei allen, und nicht immer ging es gegen Chelsea. Vier Strafstöße wollten die Londoner haben – über die Berechtigung dieser Klage lässt sich noch neun Jahre später streiten. Ja, nach einem Tackling von Dani Alves gegen Florent Malouda verlegte Övrebö den Tatort einen Meter außerhalb des Strafraums, aber handelte es sich dabei um ein elfmeterwürdiges Vergehen? Nicht unbedingt. Schon eher bei Eric Abidals Griff an das Trikot von Drogba, aber der Ivorer fiel auch sehr spektakulär. Komplett daneben lag der Schiedsrichter auf der anderen Seite, als er nach einem Duell zwischen Abidal und Nicolas Anelka auf Notbremse und Platzverweis entschied, obwohl Chelseas Stürmer ohne gegnerische Berührung gestolpert war. Kurz darauf hätte Övrebö unbedingt einen Elfmeter pfeifen müssen, als Anelka den Ball über Gerard Piqué hob und dieser deutlich sichtbar die Hand zur Rettung ausfuhr.

Michael Ballack blieb der große Unvollendete

Was folgte, war die dramatische Nachspielzeit, sie begann mit Iniestas Ausgleich und endete mit Ballacks Schuss, geblockt von Eto'o. Auch hier spricht die Fernsehaufzeichnung den Schiedsrichter nicht zweifelsfrei schuldig. Zu sehen ist wie Barcelonas Kameruner sich wegdreht und eher an der Schulter getroffen wird denn am Arm.

Tom Henning Övrebö bekam für die folgende Nacht Polizeischutz und noch drei Jahre später Morddrohungen. Didier Drogba wurde für seinen vogelwilden Lauf nach dem Schlusspfiff von der Uefa für zwei Spiele gesperrt und schaffte doch ein Happy End in der Champions League. Er war es, der 2012 im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern in dessen „Finale dahoam“ den entscheidenden Treffer setzte. Aber Michael Ballack, der Unvollendete des deutschen Fußballs, hat nie ein internationales Finale gewonnen.

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