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Kommentar: Deutschland, deine Rodler

Es gibt wohl kaum einen Ort auf der Welt, der weniger Sex-Appeal hat als der Eiskanal.

Von Christian Hönicke

Wenn sich massige Männer in hautengen Anzügen übereinander auf einen Schlitten legen, ist das selten etwas für Ästheten. Das mag ein Grund dafür sein, dass die Eiskanalsportarten Rennrodeln, Bob und Skeleton eine überschaubare Anhängerschaft haben. Der andere ist, dass der Eiskanal in den meisten Teilen der Welt schlicht unbekannt ist. Nur 18 weltcuptaugliche Bahnen gibt es überhaupt auf unserem Planeten.

Das Zentrum dieses kleinen Universums liegt in Deutschland, wo gleich vier der 18 Bahnen stehen. Dank des Wettbewerbsvorteils dominieren die Deutschen diesen Mikrokosmos seit Jahrzehnten, bei der Rodel-EM in Oberhof gewannen sie gerade acht von neun Medaillen. Die Wertschätzung solcher Erfolge ist aber selbst im eigenen Lande gering. Achselzuckend nimmt man die Siegesflut in den provinziell und altbacken anmutenden Schlittenrennen zur Kenntnis.

Doch alle vier Jahre feiert das Rodelland Nummer eins seine Vormachtstellung. Ohne unsere tollkühnen Athleten auf Kufen sähe es nämlich ganz schön trüb aus im olympischen Medaillenspiegel. Ein Drittel der 30 Medaillen von Vancouver holten die Deutschen vor drei Jahren in der Eisbahn. Auch wenn die nächsten Winterspiele in Sotschi anlaufen, wird man die Felix Lochs und Tatjana Hüfners nicht mehr belächeln, sondern sich plötzlich mit ihnen freuen. Dann können auch Rodler wie Georg Hackl zu Volkshelden werden. Denn Olympia-Gold macht sexy. Selbst im Eiskanal.

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