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Sport: Konfliktreiche Harmonie

Die NOK-Vollversammlung ist vor der Fusion nervös

Die Harmonie war mit viel Mühe eingerichtet worden. Durch die großen Fenster des Versammlungssaals öffnete sich der Blick auf einen in Herbstruhe versinkenden Park, drinnen im mit dunklem Holz vertäfelten Saal predigte ein Pfarrer Fairness und Frieden, und jeder Gastredner erhielt ein sorgsam eingepacktes Erinnerungsbuch als Geschenk. So harmonisch war die Vollversammlung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) am Samstag in Frankfurt am Main ausgeschmückt, dass nur kleine Details verraten konnten, wie nervös mancher Anwesende war. „Das ist hier alles ein Schuss in den Ofen“, rief ein Delegierter plötzlich in die Versammlung, weil er mit der Akustik des Saals nicht einverstanden war. Und der Hauptredner, NOK-Präsident Klaus Steinbach, erhielt nach seinem Rechenschaftsbericht nur einen sorgsam dosierten Applaus.

Eine Grundsatzrede zur Zukunft des deutschen Sports hatte Steinbach zuvor gehalten und dabei an die Ängste vieler Funktionäre gerührt. Seit dem enttäuschenden Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft bei den Sommerspielen in Athen wird eine Fusion des NOK mit dem Deutschen Sportbund (DSB) zu einem neuen Dachverband diskutiert. Die Verhandlungen darüber beginnen am 16. November, Steinbach kündigte erste Ergebnisse vor den nächsten Winterspielen an, die im Februar 2006 in Turin stattfinden. „In diesem Prozess muss sich jeder bewegen“, stellte Steinbach am Samstag fest. „Das kann auch wehtun.“

Bislang ist der DSB für den Breitensport und die Ausbildung der Leistungssportler zuständig, das NOK für die Entsendung der Olympiamannschaft. Sollten nun alle Aufgaben zusammengeführt werden, so flüsterten es sich viele Delegierte vor dem Versammlungssaal zu, dürften viele Gremien überflüssig werden. Breiter Beifall ist dafür von den Betroffenen kaum zu erwarten. Schon der Antrag, das NOK-Präsidium zu verkleinern, wurde am Samstag nur bei mehreren Enthaltungen abgesegnet – darunter zwei aus dem Präsidium.

Für die anstehenden Verhandlungen hat das NOK bereits seit Anfang Oktober klare Bedingungen formuliert. Steinbach zählte sie am Samstag noch einmal auf: In olympischen Belangen dürften nur die olympischen Sportverbände mitreden, mit der Vermarktung der olympischen Ringe dürften allein sie Geld verdienen, und in einem zukünftigen Dachverband sollen sie die Mehrheit in der Vollversammlung haben. „Wo Olympia draufstehen soll, muss Olympia drin sein“, sagte Steinbach, „und wo Olympia drin ist, muss Olympia draufstehen.“ Auch Thomas Bach, einflussreiches Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee, hielt ein eindringliches Plädoyer gegen die Angst vieler Funktionäre, zu den Verlierern einer Fusion zu gehören. „Gewinner einer Fusion werden die Olympischen Verbände und die Mitglieder des NOK sein“, sagte Bach unter lautstarkem Applaus. Der Präsident des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, nahm es zur Kenntnis und meldete sich bei der anschließenden Diskussion nicht zu Wort.

Erst später am Nachmittag, als alle Reden gehalten waren, kletterte von Richthofen vom Podium und erklärte seine Verhandlungsposition. „Auch die nichtolympischen Verbände müssen berücksichtigt werden“, sagte er. Eine Mehrheit könnten die olympischen Verbände gerne haben – „allerdings nur, wenn es um olympische Angelegenheiten geht“. Und so zeichneten sich, umrahmt von der sorgfältig geschaffenen Harmonie in der mit Holz vertäfelten Versammlungshalle, bereits neue Konflikte zwischen den beiden deutschen Sportverbänden ab. Wieder war es ein kleines Detail, das die Nervosität beider Seiten verdeutlichte.

Während Steinbach einen Verhaltenskodex für die Verhandlungen forderte, um „taktische Fouls zu erschweren“, bezeichnete von Richthofen das Ansinnen als „überflüssig und nicht zeitgemäß“. Walther Tröger, der frühere NOK-Präsident, zog zum Abschied ein eigenes Fazit: „Am Ende muss sich jeder an die Absprachen halten – und da bin ich skeptisch.“ Im Park vor dem Versammlungssaal setzte der Regen ein.

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