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Länderspiel: DFB-Elf blamiert sich gegen Italien

100 Tage vor dem WM-Start ist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Tiefpunkt in der Ära Klinsmanns angekommen. In Florenz war das deutsche Team in jeder Hinsicht überfordert und verlor 1:4 gegen die Italiener.

Florenz - Nach der desaströsen 1:4 (0:3)-Niederlage der DFB-Mannschaft beim Titel-Mitfavoriten Italien geht es für den Bundestrainer in den kommmenden Wochen jetzt vor allem um Schadensbegrenzung, um eine ähnliche Blamage bei der Heim-WM in gut drei Monaten zu verhindern. Vor 40.000 Zuschauern in Florenz war der Vize-Weltmeister beim ersten Auftritt im WM-Jahr am Mittwochabend in jeder Hinsicht überfordert. Daran konnte auch der späte Ehrentreffer durch Robert Huth (82. Minute) nichts ändern. Das "System Klinsmann" wurde bei der höchsten Niederlage unter dem Bundestrainer von einem Team der Klasse Italiens als naiv und ungeeignet enttarnt.

"Wir sind alle sehr enttäuscht. Das war eine Lektion für uns, und das ist frustrierend. Wir haben richtig einen auf die Mütze bekommen", sagte Klinsmann. Personelle Kurskorrekturen schloss er aber aus. "Das Team ist stark genug, etwas bei der WM zu bewegen. Wir glauben an die Mannschaft."

Kapitän Michael Ballack zeigte sich kritisch. "Vier Stück sind richtig bitter. Da hat man keine Argumente. Die Mannschaft war nach dem frühen Rückstand verunsichert. Wir sind dann nur noch hinterhergelaufen." Der erst zur Halbzeit eingewechselte Christoph Metzelder pflichtete bei: "Wir waren nach dem frühen Rückstand übermotiviert und haben uns regelrecht entblößt."

Schon nach sieben Minuten waren alle Hoffnungen darauf, im 17. Versuch und nach mehr als fünf Jahren wieder einen Großen des Welt- Fußballs zu schlagen über den Haufen geworfen. Sowohl beim 0:1 durch Alberto Gilardino (4. Minute) als auch beim 0:2 von Lokalmatador Luca Toni (7.) fand die junge, überforderte deutsche Abwehr keinerlei Mittel, das Ungemach zu verhindern. Bei der frühen Führung der Gastgeber hatte Torwart Jens Lehmann, der trotz einer starken Leistung die Blamage nicht verhindern konnte, einen Kopfball von Fabio Cannavaro noch abgewehrt.

Mit dem kopflosen Bestreben den Fehlstart wieder wett zu machen produzierten die deutschen Mittelfeldspieler katastrophale Fehlpässe gleich in Serie, die von den Azzurri immer wieder zu schnellen und gefährliche Gegenstößen genutzt wurden. So ging dem 0:2 ein verheerender Ballverlust von Sebastian Deisler voraus. Beim 0:3 durch Daniele de Rossi (39.) war der Münchner Phillip Lahm bei seinem Comeback nach 14 Monaten im Kopfball-Duell gegen Mauro Camoranesi deutlich unterlegen und Robert Huth kam gegen den Torschützen viel zu spät.

Klinsmann reagierte nicht auf die fehlende Abstimmung und das Durcheinander in seinem System. Erst als schon alles zu spät war, zog er Kapitän Michael Ballack, der ebenfalls keinerlei Akzente setzen konnte, auf eine defensivere Position im Mittelfeld zurück. Mit ihren eigenen hilflosen Angriffsbemühungen waren die erstmals im roten WM- Trikot, dass laut Klinsmann als Zeichen für Aggressivität und Leidenschaft stehen sollte, angetretenen DFB-Auswahl ins Verderben gerannt. Die einzige nennenswerte Aktion war ein Schuss des sonst total enttäuschenden Deisler (23.), den Italiens Torwart Gianluigi Buffon klasse parierte.

Die sportliche Leitung muss sich überlegen, ob die Zielstellung WM-Titel nach diesem Auftritt aufrecht erhalten werden kann, oder ob nicht Sicherheit als erstes Maßgabe ausgegeben werden muss. Eine schlimmere erste Halbzeit einer deutschen Nationalmannschaft hatte es in jüngerer Vergangenheit nur beim 1:5 in Rumänien im April 2004 gegeben, als es zum Seitenwechsel schon 0:4 stand und das mit dem späteren vorzeitigen EM-Aus besiegelte Ende der Ära Rudi Völler eingeleitet wurde.

Der WM-Stimmung im ganzen Land dürfte der Rückschlag einen großen Dämpfer versetzt haben. Die größte Hoffnung bleibt jetzt nur der Heimvorteil und die Tatsache, dass die Vorrundengegner Costa Rica, Polen und Ecuador nicht das Kaliber der Italiener haben.

Zur Halbzeit brachte Klinsmann mit Christoph Metzelder für den auch mit untergegangenen Abwehrchef Per Mertesacker und Gerald Asamoah für den völlig indisponierten Angreifer Lukas Podolski zwei neue Kräfte, an den grundlegenden Problemen änderte sich aber nichts. Eine Chance für Bernd Schneider (56.) blieb die Ausnahme. Im Gegenzug reichte wieder eine zielstrebige Aktion der Italiener, um die Niederlage noch schmerzhafter zu machen. Camoranesi leistete die Vorarbeit und Juve-Star Alessandro del Pierio (57.), der für den verletzten Franceso Totti spielte, köpfte vor Huth und Metzelder zum 4:0 ein.

Bezeichnenderweise kam Buffon zunächst nur bei einer Aktion eines eigenen Spielers in ärgste Bedrängnis, doch der Routinier ließ sich auch von Tonis unfreiwilligen Kopfball in Richtung eigenes Tor nicht bezwingen. Chancenlos war der Juve-Schlussmann dann bei Huths Treffer aus kurzer Distanz nach Ecke von Deisler. Der zweite Länderspiel-Treffer des Verteidigers vom FC Chelsea konnte an der miserablen Gesamtleistung aber nichts mehr beschönigen. (Von Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa)

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