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Sport: Langsam vergilben die Fotos der Heroen

Kein Spieler der nordirischen Mannschaft verdient seine Brötchen in der HeimatVON SEBASTIAN ARLT BELFAST. Es war schon immer etwas Besonderes, in der nordirischen Fußball-Nationalmannschaft zu spielen.

Kein Spieler der nordirischen Mannschaft verdient seine Brötchen in der HeimatVON SEBASTIAN ARLT BELFAST. Es war schon immer etwas Besonderes, in der nordirischen Fußball-Nationalmannschaft zu spielen.Zum Beispiel trifft man sich vor einem Heimspiel - in London.Und dann erst geht es gemeinsam nach Belfast.Das macht auch Sinn, denn: Kein Spieler im Team von Trainer Bryan Hamilton, das heute abend im WM-Qualifikationsspiel auf die deutsche Mannschaft trifft, verdient seine Brötchen in Nordirland.Der Arbeitsplatz liegt in England."Natürlich wäre es uns auch lieber, wenn einige im eigenen Land spielen würden, aber die Verhältnisse sind eben nicht so", meint Hamilton schulterzuckend. Realität ist, daß Talente schon während der Schulzeit von englischen Klubs geködert werden.Doch dann "enden" die großen Talente, die dem Ruf des Geldes gefolgt sind, zumeist auf den Ersatzbänken der ersten englischen Liga - oder sie spielen in der zweiten oder dritten Liga.Immer noch besser, als in der "Smirnoff Irish League", wie sie offiziell heißt, zu kicken.Zehn Klubs spielen nahezu unter Amateurbedingungen die nationale Nordirische Meisterschaft aus.Das Niveau läßt sich mit "kick and rush" in seiner schlichten Ursprünglichkeit beschreiben."Hier zu spielen, davon kann keiner leben", erklärt Jim Boyce, der Präsident des Nordirischen Verbandes IFA (Irish Football Association). Vorbei sind die Zeiten, in denen sich das nordirische Team 1982 und 1986 sogar für die Weltmeisterschafts-Endrunde qualifizieren konnte.Langsam vergilben in den Pubs die Bilder der Heroen von einst wie Danny Blanchflower, George Best oder Pat Jennings.Längst haben die Fundamentalisten nichts mehr zu sagen, die dafür gesorgt hatten, daß nur Spieler das Trikot der IFA tragen durften, die auch in Nordirland geboren worden waren.Inzwischen betreibt Hamilton Ahnenforschung, rekrutiert auch Akteure, deren Eltern - ja Großeltern - einst in Nordirland das Licht der Welt erblickten. Umso erstaunlicher ist daher die Bilanz der Nordiren, die in der laufenden WM-Qualifikation bisher nur einen Sieg erringen konnten, gerade gegen die deutsche Mannschaft.Seit dem 5:0-Sieg der DFB-Auswahl 1977 in Köln (damals standen sich Berti Vogts und Hamilton als Spieler gegenüber) konnten die Deutschen keine der fünf Begegnungen mehr gewinnen - zwei Niederlagen, drei Unentschieden. "Wir werden die Serie fortsetzen", erklärt Hamilton vollmundig.Wobei sein Optimismus eher ans Pfeifen im dunklen Wald erinnert.Nicht nur, daß sein gefährlichster Stürmer, Iain Dowie, wegen einer Gelbsperre ausfällt, der 48jährige Coach hat auch noch ein großes Torwartproblem.Der "Held" vom 1:1 im vergangenen November in Nürnberg, Tommy Wright, ist verletzt, sein Stellvertreter Alan Fettis dürfte wohl auch ausfallen.Nun muß Hamilton zwischen zwei Keepern entscheiden, die bei englischen Drittligisten unter Vertrag stehen: Aidan Davison (Grimsby Town) und Roy Carroll (Wigan Athletic). Einerseits war man nicht begeistert, als feststand, daß Nordirland (wieder einmal) in einer WM-Qualifikation auf Deutschland treffen würde.Doch andererseits gibt Boyce auch zu, daß das Heimspiel für den Verband ungemein lukrativ ist.Aus Fernseh- und Werbegeldern kommt immerhin etwa eine Million Mark zusammen.Das Geld wird, so Boyce, gleich in den Jugend- und Juniorenbereich gesteckt.Boyce: "Die Jugend ist unsere Zukunft." Zum erstenmal in der Verbandsgeschichte wird nun in der nächsten Saison ein Junioren-Team unter 21 Jahren an der EM-Qualifikation teilnehmen.Den "Deutschmarks sei Dank", wie die in Belfast erscheinende Zeitung "Sunday Life" unverblümt feststellte.

SEBASTIAN ARLT

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