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Sport: Leverkusen bewundert den Gegner - und jagt ihn ohne Emerson

Die Herren waren ausgesprochen freundlich. "Dass sie das Ding noch gedreht haben, alle Achtung", lobte der Kugelrunde.

Die Herren waren ausgesprochen freundlich. "Dass sie das Ding noch gedreht haben, alle Achtung", lobte der Kugelrunde. Der Dünne war wortkarger, aber nicht minder höflich: "Glückwunsch!" Bewunderung für den FC Bayern, der mit zehn Mann noch in Freiburg gewonnen hatte. Die Herren, die aus Leverkusen zum Bundesligaspiel bei Hansa Rostock angereist waren, taten, als hätten sie die Bayern so richtig lieb. Scharmützel zwischen Bayer und Bayern? Keine Spur. Ein mageres 1:1 beim Abstiegskandidaten Rostock. Zwei Punkte und die Tabellenführung verloren. Und der Kugelrunde und der Dünne, Leverkusens Manager Rainer Calmund und Trainer Christoph Daum, erweckten den Eindruck, als sei gar nicht so viel passiert. "Wir haben Punkte gutgemacht zum HSV", sagte Calmund. Und: "Wer von einer Krise beim FC Bayern redet, hat selber eine Kopfkrise."

Sie staunten nicht über den Sieg der Münchner, und auch nicht über den eigenen Punktverlust? Zahlreiche Chancen hatten beide Teams in einem flotten Spiel gehabt - und vergeben. Ulf Kirsten scheiterte schon in der ersten Viertelstunde zweimal frei vor dem Tor, auf der anderen Seite musste Torhüter Adam Matysek bei Angriffen von Agali, Baumgart und Yasser retten. Doch die Bayer-Verantwortlichen waren ganz ruhig. Calmund plauderte davon, wie belastend sein Job für das Familienleben sei und dass er sich um die Meisterfeier keine Sorgen mache - Bayer habe seine Feier-Qualitäten in der Vergangenheit bewiesen.

Daum hielt seine Rolle als guter Mensch von Rostock nicht durch. Bei Hansas Führungstreffer durch Matthias Breitkreutz kurz vor der Pause stand er reglos, die Hände auf dem Rücken verschränkt, vor dem Trainer-Stühlchen. Doch nach dem Abpfiff, Bernd Schneider hatte noch den Ausgleich erzielt, machte Daum eine wegwerfende Handbewegung, drehte ab und setzte zum Spurt zum Spielertunnel an. Kurz darauf analysierte er ganz sachlich: "Das 1:1 war leistungsgerecht. Wenn wir am Anfang das 1:0 oder 2:0 gemacht hätten, hätten wir das Spiel besser kontrolliert." Nach dem Glückwunsch an die Bayern war es genug mit dem Liebsein. In Daum brodelte es. Emersons Verletzung? "Ich habe keine Röntgenaugen." Peng. Nicht giftig, sondern geschockt wäre der Trainer wohl gewesen, wenn er das Ergebnis schon gekannt hätte: Der Brasilianer fällt für den Rest der Saison mit einem Riss des Syndesmose-Bandes im rechten Sprunggelenk aus. Schon nach 20 Minuten verletzte er sich, in der 43. Minute wurde er ausgewechselt. "Das ist schade für den Verein und Emma. Aber rumjammern und klagen hilft uns jetzt nicht weiter. Wir haben hervorragende Alternativen. Zum Beispiel Bernd Schneider", kommentierte Calmund den Verlust, der Bayer im Endspurt mindestens so hart treffen dürfte wie die abgegebenen Punkte. Um so wichtiger wird sein, dass Ulf Kirsten zu gewohnter Stärke zurückfindet. 14 Tore hat er bislang geschossen - in Rostock vergab er eine Riesenchance nach der anderen. Calmund nahm den sichtlich entnervten Stürmer in Schutz: "Fußballspieler sind auch keine Roboter."

Daum wurde immer dünnhäutiger und schwang sich schließlich sogar zum deutschen Schiedsrichterbeschützer Nummer eins auf. "Ich weiß nicht, ob Sie sich als Rächer der Enterbten sehen", grantelte er, auf das elfmeterreife Foul von Robert Kovac an Rostocks Peter Wibran angesprochen. "Das ist eine stimmungsmachende Schirihetze." Und, das unterstellte Daum wohl dem Frager, eine gegen Bayer, das ohne falsche Pfiffe nicht mehr gewinnt. Gegen Dortmund am letzten Wochenende war schon Kirstens Handspiel folgenlos geblieben. In Rostock übersah Schiedsrichter Merk allerdings auch ein Handspiel der Gastgeber.

Ein Leverkusener wurde trotz der verlorenen Punkte gefeiert. Vom Gegner. Oliver Neuville, der im Sommer von Hansa zu Bayer wechselte, ist in Rostock immer noch Publikumsliebling. Unvergessen ist sein Einsatz in Bochum, wo Hansa am letzten Spieltag den Klassenerhalt schaffte und Neuville mit einem Turban über dem eingerissenen Ohrläppchen spielte. "Olli, Olli", kreischten die Mädchen hinter dem Gitterzaun, als Neuville in den Bus stieg. Es war doch ein ziemlich netter Abend im Ostseestadion.

Helen Ruwald

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