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Sport: Lob des Torhüters

Ist Lehmann jetzt der bessere Kahn? „Meine Frau sagt, ich sei ihr fremd, wenn ich Fußball spiele.

Ist Lehmann jetzt der bessere Kahn?

„Meine Frau sagt, ich sei ihr fremd, wenn ich Fußball spiele.“ Im Tor sei er ein anderer Mensch, er müsse ein gewisses Maß an Aggressivität aufbauen, weil er als Torwart mehr als andere mit extremen Situationen rechnen müsse. „Das heißt auch, ich lasse ein bisschen meinen Verstand draußen.“

Das hat Jens Lehmann vor über vier Jahren erzählt. Damals war Lehmann noch die Nummer zwei im deutschen Tor, hinter seinem Rivalen Oliver Kahn. Aber vielleicht wusste Frau Lehmann ja schon sehr viel früher, dass sehr viel mehr von Oliver Kahn in ihrem Manne steckt. Nur leider konnte er es der Nation lange nicht zeigen. Bis jetzt, bis zum Elfmeterschießen gegen Argentinien. Und vielleicht ist deshalb die Entscheidung von Jürgen Klinsmann für Jens Lehmann eine, die am Ende den Titel bedeutet.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass sich die Mehrheit der Deutschen mit einem Oliver Kahn im Rücken irgendwie sicherer gefühlt hätte. Diese Nation hat ja bekanntlich ein ganz besonderes Verhältnis zu ihren Torstehern; zu Toni Turek, zu Sepp Maier, zu Toni Schumacher, zu Oliver Kahn. Ohne ihre Torhüter hätte Deutschland ein paar WM-Finals nicht gewonnen, ja gar nicht erst erreicht.

Mit dem Beginn dieser WM vor drei Wochen ist Jens Lehmann genau in den Tunnel getreten, den Kahn vor vier Jahren entdeckt und aus dem er die Mannschaft als Vizeweltmeister herausgeführt hat. Während des Turniers in Fernost hatte Kahn nie den Eindruck gemacht, dass ihn irgendetwas von seinem Ziel ablenken könne. Und genau diesen Eindruck hinterlässt jetzt Jens Lehmann. Vor dem WM-Auftakt gegen Costa Rica, dem ersten großen Turnierspiel für den 36-Jährigen, sagte er: „Ich war mir dessen gar nicht so bewusst, dass unser Spiel gegen Costa Rica das Eröffnungsspiel der WM ist.“ Deutschland gewann dieses Spiel, und mit jedem weiteren Spiel wuchs in Lehmann diese Fähigkeit, alles um sich herum ausblenden zu können. Als Jens Lehmann am Tag vor dem Viertelfinale gegen Argentinien gefragt wurde, wie er denn zum Lob seines alten Widersachers (Kahn: „Jens zeigt eine tadellose Leistung.“) stehe, antwortete er: „Ich bitte um Verzeihung, dass ich unmittelbar vor einem Spiel nicht darauf eingehen möchte.“ Nach dem Spiel und seinen Heldentaten im Elfmeterschießen blieb er nur kurz stehen: „Ich liebe Deutschland inzwischen“, sagte er. „Die Leute sollen jetzt feiern, aber ich gehe jetzt nach Hause und bereite mich vor. Okay?“

Natürlich okay, möchten wir Jens Lehmann hinterherrufen. Von deutschen Torstehern erwartet man ja, dass sie bei Weltmeisterschaften Elfmeterschießen gewinnen. Egal, wie fremd, wie verkahnt, er uns auch erscheinen mag: Wenn Lehmann gegen Italien, vor allem aber im wichtigsten Spiel dieser WM, dem Finale, die Bälle hält, kann er den Kahn in sich bezwingen.

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