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Sport: Märchenhafter Endspurt

Elf Medaillen: Die deutschen Biathleten sind bei der WM so stark wie in Turin

Selbst Präsidenten irren bisweilen. Am Freitag zog Alfons Hörmann, der Chef des Deutschen Skiverbands (DSV), bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Antholz ein frühes Fazit. Die Bilanz der Olympischen Spiele von Turin sei „abnormal positiv“ gewesen. „Das ist hier nicht zu toppen. Da muss man eine vernünftige Messlatte anlegen.“ In Antholz erlebe er trotz allem „eine Fortsetzung der Erfolgsstory“. Nach sieben von elf Wettkämpfen hatten die Deutschen zweimal Gold (Magdalena Neuner) geholt und je einmal Silber (Michael Greis) und Bronze (Martina Glagow). Die aus dem Nichts aufgetauchte Neuner, die während der WM 20 Jahre alt wurde und erst ein Weltcuprennen gewonnen hatte, schien ein Debakel zu verhindern. Die Männer liefen bis auf Greis hinterher.

Zwei Tage und vier Rennen später ist die deutsche Bilanz genauso „abnormal positiv“ wie die von Turin 2006. Mit sieben Medaillen am Sonnabend und Sonntag, drei goldenen (Greis, Henkel, Frauen-Staffel), zwei silbernen (Glagow, Birnbacher) und zwei bronzenen (Wilhelm, Männer-Staffel) haben die Deutschen das Olympia-Resultat erreicht: wieder elf Medaillen, wieder fünf Titel. Der Medaillenspiegel ist eindeutig. Norwegen (3 x Gold, 2 x Silber, 2 x Bronze) ist abgeschlagen, die übrige Konkurrenz hat maximal eine Goldmedaille geholt. Die stark eingeschätzten Russen mussten sich mit drei Medaillen begnügen. Eine Woche später ist der schwache Auftakt vergessen. Das deutsche Team feierte im Festzelt von Antholz den Triumph, bis die Blasmusik zusammenpackte. Die meisten Sportler verschoben deshalb sogar ihre Abreise um einen Tag. „Überraschende Feste sind oft die schönsten“, sagte Kati Wilhelm. Sie hatte drei Tage vor dem Lauf zu Bronze ein Rennen wegen Magenschmerzen abgebrochen. Andrea Henkel und Martina Glagow konnten jubeln, obwohl sie im Januar krankheitsbedingt pausiert hatten. Umstände, die die Erfolge noch wertvoller machten. „Wir haben’s zwei Tage nach meinem Geburtstag schön krachen lassen“, erzählte Magdalena Neuner von der Siegesfeier. Die erfolgreichste WM-Teilnehmerin hat als erste Deutsche bei einer WM dreimal gesiegt. Im Unterschied zu Olympia hat sich die Verteilung der Titel innerhalb des Teams geändert.

Errangen vor einem Jahr die Männer viermal Gold und die Frauen einmal, so war es diesmal umgekehrt. Dass die Turiner Goldstaffel der Männer sich jetzt mit Bronze begnügen musste und Olympiasieger Sven Fischer in den Einzelrennen nicht über den fünften Platz hinauskam, sind die einzigen Schönheitsfehler. Allerdings war Fischer seit Saisonbeginn im Weltcup nur einmal aufs Podest gelaufen und hatte in Antholz Probleme mit der Anpassung an die Höhe. Das brachte ihn in den ersten beiden Rennen um bessere Platzierungen. In der Staffel waren die phänomenalen Russen unschlagbar, Silber verlor Deutschland am Schießstand beim letzten Zweikampf zwischen Greis und Norwegens Ole Einar Björndalen.

Der sah zwei Tage nach WM-Beginn wie der Superstar der Titelkämpfe aus. Sieben Siegen in neun Weltcuprennen folgten in Antholz zwei Siege bei zwei Starts. Danach wurde er 32. und Vierter. Nun sprach niemand mehr von ihm, sondern alle von den Deutschen. Beim Massenstartrennen am Sonntag waren nicht nur Sieger Greis und der Dritte Raphael Poiree, Größen ihrer Zunft, besser als Björndalen. Sondern auch Andreas Birnbacher, 25. Er hat noch kein Weltcuprennen gewonnen und wurde in Antholz nicht einmal für die Staffel nominiert. Am Sonntag holte er Silber. Ein WM-Ende, das zum märchenhaften Endspurt des deutschen Teams passte.

Helen Ruwald[Antholz]

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