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Sport: Mann von nebenan

Von Ernst Podeswa Berlin. Ist Vitali Sveets vielleicht so etwas wie ein Tennis-Macho?

Von Ernst Podeswa

Berlin. Ist Vitali Sveets vielleicht so etwas wie ein Tennis-Macho? Der weißrussische Profispieler aus den Reihen des Berliner Vereins LTTC Rot-Weiß hat ganz schnöde eine Verabredung platzen lassen, um den ihn wohl viele Tausende junge Männer beneiden würden – den Schlagabtausch mit Jennifer Capriati, der Berliner Turnierfavoritin aus den USA.

Um 12 Uhr hatte Sveets eigentlich auf dem Trainingscourt erscheinen sollen, um die Australian-Open-Siegerin auf deren Centre-Court-Auftritt zwei Stunden später einzuspielen. Capriati war pünktlich, sie wartete. Fünf Minuten verstrichen, zehn Minuten, aber nichts passierte. Außer, dass sich die Weltranglistenzweite abwechselnd auf einem Plastestuhl räkelte, mit blinzelnden Augen den blauen Himmel betrachtete und sich dann gar auf einer Bank lang machte. Derweil eilte Vater Stefano, bekleidet nur mit kurzen Hosen und Sportschuhen ohne Socken, zwischen der Spielerin und der Turnierleitung missmutig hin und her. Vergebens.

Erst eine halbe Stunde später brachte Stefano einen jungen Mann mit zum Sportplatz, der sich offenbar hastig in die Tenniskluft geworfen hatte. Das Ballspiel konnte beginnen. Ohne Vitali Sveets zwar, aber immerhin mit einem anderen, der den Tennisschläger halten konnte. Sein : Uli Seetzen.

„Um 12.15 Uhr hat das Telefon geklingelt. Sie sagten: Vitali ist nicht da, kannst Du rasch kommen?“ Uli Seetzen reagierte rasch. Er wohnt nur fünf Minuten von der Anlage entfernt. Seetzen spielte acht Jahre lang in der Tennis-Bundesliga, zunächst in Hannover, dann in Berlin. Er kennt sich aus in der Rolle als bereitstehender Helfer.

Im Vorjahr begann seine Liason als Trainingspartner für Jennifer Capriati. Diese Aufgabe erledigte der 1,90 Meter große Hüne offenbar zur Zufriedenheit des Capriati-Duos, das ihn auch in diesem Jahr wieder erbat. „Doch dazu wollten sie noch einen zweiten Partner, der vielleicht die Bälle etwas anders schlägt. Das war Vitali." Die Capriatis haben keinen festen Trainingspartner engagiert, wie beispielsweise Serena Williams oder Martina Hingis. Die Russin Anastasia Myskina war beim Training sogar von einem Herren-Trio umgeben.

Mit einer anderen Spielerin schlägt sich Jennifer Capriati nie ein. Im Gegensatz zu Kim Clijsters, die dies in Berlin mit Mary Pierce tat oder Amelie Mauresmo, die sogar ein Trainingsspielchen mit Arantxa Sanchez absolvierte. „Ich denke, Jennifer möchte nicht, dass sich die Gegnerinnen auf die Art und Weise ihres Spiels einstellen können“, sagt Seetzen. „Oder sie glaubt, das Gewohntsein von schnelleren Ballwechseln wäre ein Vorteil, wenn sie gegen Frauen spielt.“ Berührungsängste beim Training mit einem möglichen Turniergegner gäbe es bei den männlichen Profis nicht, erzählt Seetzen.

Er weiß, wovon er spricht. Uli Seetzen war mehrfach Deutscher Jugendmeister und erreichte 1996 bei den US Open das Junioren-Finale. Dort unterlag er Nicolas Kiefer, war aber am Jahresende Dritter der Weltrangliste. Ein zweifacher Bandscheibenvorfall stoppte schließlich seine Profiambitionen. Deshalb studiert der 25-Jährige nun schon seit zwei Jahren Volkswirtschaft an der FU Berlin.

Bei Rot-Weiß betreut er als Honorartrainer auch 12- bis 16-jährige Jungen und muss von denen wie auch von seinen Kumpels dieser Tage eine Anmache erdulden: „Na, lässt du dich nun schon von Frauen schlagen?“ Seetzen geht das nicht besonders nahe, denn er weiß: „Die meisten Tennisspieler sind in dieser Frage Machos. Das darf man aber nicht so ernst nehmen.“

Ja, Uli Seetzen verspürt auch Neid. Besonders, wenn er seinem Umfeld stolz berichtet, dass „Jennifer und auch Mary Pierce echt supernett sind". Die Ehre der Tennis-Machos hat Uli Seetzen übrigens auch verteidigt, jedenfalls ein bisschen. Ein wettkampfnahes Spielchen gegen Mary Pierce gewann er immerhin mit 4:0.

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