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Sport: Marat Safin: Ein Russe erobert New York

Nur einmal sank der Himmelsstürmer zu Boden. Aber da war schon alles vorbei, nicht für ihn, sondern für Pete Sampras, den Besten der Besten: Marat Safin küsste den Centrecourt von Flushing Meadow, nachdem er sich am Sonntag mit einem 6:4, 6:3, 6:3-Sieg zum neuen US-Open-Champion aufgeschwungen hatte.

Nur einmal sank der Himmelsstürmer zu Boden. Aber da war schon alles vorbei, nicht für ihn, sondern für Pete Sampras, den Besten der Besten: Marat Safin küsste den Centrecourt von Flushing Meadow, nachdem er sich am Sonntag mit einem 6:4, 6:3, 6:3-Sieg zum neuen US-Open-Champion aufgeschwungen hatte. Zehn Jahre und einen Tag nachdem ein 19-jähriger Kalifornier namens Pete Sampras mit seinem Debütsieg in New York die Tennisszene auf den Kopf gestellt hatte, erlebte der Wanderzirkus womöglich die Ankunft eines neuen Meisters: "Dieser Junge ist die Zukunft des Tennis", sagte Sampras.

Der Sieg des 20-jährigen Russen in New York war der Höhepunkt eines Comebacks, das für Safin Anfang März mit der wertvollen Beratung durch den früheren Profi Andrej Tschesnokow begonnen hatte. Noch im ersten Jahresviertel war Safin nach sechs Erstrunden-Niederlagen (Sydney, Melbourne, Marseille, Rotterdam, London, Key Biscayne) als einer der schlechtesten Tourspieler verbucht worden. Und bei den Australian Open hatte ihn der Weltverband ITF als ersten Berufsspieler überhaupt für mangelndes Engagement bei seiner lustlosen Auftakt-Niederlage mit einer 2500-Dollar-Geldstrafe belegt. Damals, erinnert sich Safin, "wollte ich mit dem Tennis aufhören".

Doch nach dem Trainerwechsel und harten Worten seines Managers Ion Tiriac war Safin mit einer bemerkenswerten Profimentalität schon im Frühling und Sommer eine der erfrischendsten Figuren der ATP Tour gewesen. "Marat ist nicht als Niemand zu den US Open gekommen", sagt Alexander Wolkow, der frühere russische Davis-Cup-Spieler, der Safin in New York betreute. "Er hat vorher oft genug gezeigt, dass er das Potenzial für den Sprung zum Gipfel besitzt."

Der vierte Sieger im vierten Grand Slam dieser Saison hat seinen Finalgegner schwer beeindruckt. "Safin hat die Qualitäten einer Nummer eins. Er bricht nicht unter den Anspannungen eines großen Finales zusammen", sagte der zum Statisten degradierte Sampras, der letztmals 1991 bei den US Open in drei Sätzen gegen Jim Courier verloren hatte.

Den schlagfertigen Beweis hatte der Russe in bloß 97 Endspielminuten geliefert, in einer Demonstration jugendlicher Unbeschwertheit und Furchtlosigkeit. "Ich habe alles riskiert - und alles gewonnen", sagte Safin, der die Moral des Favoriten frühzeitig mit beeindruckenden Passierschlägen brach. Auch das Service des besten Aufschlägers verpuffte nutzlos: Safin prügelte ihm die Returns mit solcher Gewalt und Genauigkeit vor die Füße, dass Sampras schnell die Schultern hängen ließ.

"Diese Vorstellung war unglaublich", meinte Amerikas Davis-Cup-Chef John McEnroe, "manchmal hatte man den Eindruck, er spielt mit Pete." Mit seiner machtvollen Inszenierung war der Russe weit von seinen Jugendsünden in der Profiserie entfernt, von seinen cholerischen Anfällen und seinem Jähzorn. Allein 1999 zertrümmerte Safin nach eigener Hochrechnung noch "knapp 50 Schläger" bei Auftritten auf der ganzen Welt. Mit der gleichen Effektivität, die Sampras sonst in den wichtigen Situationen auszeichnet, vollendete Safin sein Meisterstück: Breaks jeweils zum 4:3 in den ersten beiden Sätzen garantierten ihm nach einer Stunde eine beruhigende 2:0-Führung. Erst beim 5:3-Vorsprung im dritten Durchgang strauchelte der zum Sieg aufschlagende Russe kurz, ließ die beiden ersten Breakbälle von Sampras zu, doch dann rappelte er sich wieder auf und fügte die letzten Mosaiksteinchen zum Triumph zusammen. Zum ersten russischen Sieg im Herzen von Tennis-Amerika, in New York.

Jörg Allmeroth

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