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Marcel Reif. TV-Reporter und Tagesspiegel-Kolumnist.

© dpa

Marcel Reifs Kolumne: Favre und Hoeneß – Arbeiten am Selbstverständnis

Die beiden Ex-Herthaner Dieter Hoeneß und Lucien Favre haben bei ihren neuen Vereinen mit dem gleichen Problem zu kämpfen, dem Selbsverständnis: Hoeneß muss das des VW-Klubs bedienen – Favre muss erst eins finden, wenn nötig in Liga Zwei.

Man glaubt ja immer noch, trotz ungezählter entgegen gesetzt gelaufener Beispiele, dass ein neuer Trainer den Wandel schafft, dass es sofort klappen muss. Hat es ja auch in der vergangenen Woche bei Lucien Favre und der Borussia aus Mönchengladbach. Aber diesmal nicht bei der Niederlage in Wolfsburg. Und nun, was stimmt nun? Ich fürchte, die Wahrheit ist diesmal nicht in der Mitte zu finden – vergangene Woche, das war nur Schalke, die Wahrheit war in Wolfsburg zu besichtigen und sie ist bitter für alle Borussen: Die derzeitige Mannschaft aus Mönchengladbach ist einfach nicht erstligatauglich. Aber das wissen sie wohl selber. Warum sonst haben sie Lucien Favre engagiert, einen Mann, der als Konzepttrainer bekannt ist und als Feuerwehrmann untauglich? Doch wohl nur, weil der Wiederaufbau, der Neuanfang begonnen hat. Mit dem Bekenntnis zum Abstieg und dem Willen, grundsätzliche Vorgehensweisen zu ändern. Dass Favre ein Trainer ist, der sich einen Kader zusammenstellen kann, der höhere Ziele anstrebt, das hat er, ungeachtet des unrühmlichen Endes, bei Hertha in Berlin bewiesen.

Der Partner von einst hat dagegen gewiss gedacht, am anderen Ende des Spektrums zu stehen, ziemlich weit oben nämlich. Hat aber auch nicht geklappt für Dieter Hoeneß. Und nun dürfte er nicht mehr viele Schüsse frei haben. Er muss sich zeigen, der VfL Wolfsburg. Dass er das kann, vorausgesetzt Diego hat die Lust so zu spielen, wie er es kann, haben sie am Freitag gezeigt. Das knappe 2:1 war ja mehr Hohn als Widerspiegelung des Spielverlaufs. Mit solchen Auftritten kann es keine Zweifel daran geben, dass sich die Wolfsburger aus ihrer misslichen Lage befreien werden. Ein Rätsel allerdings ist dabei, wie und warum sie ins Straucheln gerieten und wie Espenlaub zitterten nach dem Gegentreffer. Hoeneß hat dieser Tage mal wieder Zeit und Geduld eingefordert. Na klar, wohin Ungeduld und Überschätzung führen, hat er seinerzeit zusammen mit Favre beim selbsternannten Titelkandidaten aus Berlin erlebt. Aber Zeit und Geduld bei einem Konzern, der Ergebnisse sehen will und keine Experimente? Wenn sie bei VW schon Geld verschenken, dann aber nicht auch noch Zeit. Und die Geduld dürfte auch nahezu aufgebraucht sein. Das Verständnispotential für Panikattacken wegen eines Elfmeters für Borussia Mönchengladbach ist es gewiss.

So arbeiten die beiden Streiter von einst in der Tat an zwei entgegen gesetzten Enden. Hoeneß muss ein Selbstverständnis bedienen, Favre darf erst mal wieder ein Selbstverständnis suchen. Findet er es in der Zweiten Liga, dann wird es schon klappen mit dem neuen Trainer.

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