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Sport: Marinus Bester: Märchenhafter Umstieg: Profi - Reporter - und wieder Profi

Es war einmal ein Fußballprofi. Der war groß und talentiert und köpfen konnte er wie kaum ein Zweiter.

Es war einmal ein Fußballprofi. Der war groß und talentiert und köpfen konnte er wie kaum ein Zweiter. Aber er schaffte den Durchbruch in der Bundesliga nicht. Da wurde er traurig, auch weil sie alle Späße machten mit seinem Namen. Und so traurig wurde er, dass er beschloss, den ehemaligen Kollegen als Fernsehreporter ganz genau auf die Füße zu schauen und nach dem Spiel diese allseits beliebten erhellenden Fragen zu stellen: "Was war heute los, Lothar, Giovane, Oliver, Olaf?"

Am Sonnabend, zum Start der neuen Saison, aber trägt Marinus Bester statt Zweireiher und bunter Krawatte wieder Trainingsanzug. Mit dem Hamburger SV erwartet er 1860 München - als Profi. Der erneute Seitenwechsel des 31-Jährigen ist jetzt schon eine der kuriosesten Geschichten der Spielzeit 2000/2001. Aus einem Beschreiber ist wieder ein Beschriebener geworden, auch wenn das Märchen noch gar nicht zu Ende ist.

1992/93 bereits machte Marinus Bester für den HSV an der Seite von Karsten Bäron 17 Bundesligaspiele und schoss drei Tore. "B und B - der längste Sturm der Bundesliga", jubelte es in dicken Lettern auf den Sportseiten. Aber irgendwas ging schief mit der Karriere. Vielleicht war es die Einstellung, vielleicht fehlte der letzte Wille. Werder Bremen und Schalke 04 waren weitere Stationen. Ingesamt ist er 37 Mal in der Bundesliga aufgelaufen, bis er vor fünf Jahren der Knochenmühle Profifußball adieu sagte und Journalist wurde.

"Ich musste damals eine Entscheidung treffen, ob ich weiter auf eine ungewisse Chance im Fußball warte - oder eine Berufsausbildung beginne", erzählt Bester - und wurde Volontär bei "Premiere". Gekickt hat er nur nebenbei - Regionalliga Nord: Concordia Hamburg, VfL 93 Hamburg und Lüneburger SK. Mit Erfolg. Zuletzt war er mit 25 Treffern Torschützenkönig der dritthöchsten Spielklasse. "Mir ist er schon vor zwei Jahren aufgefallen", sagt HSV-Trainer Frank Pagelsdorf, "niemand schießt zwei Jahre hintereinander in der Regionalliga über 20 Tore dadurch, dass ihm nur der Ball auf den Kopf fällt." Das ist wohl kaum anzunehmen. "Es gibt in unserer Mannschaft keinen besseren Kopfballspieler", meint Pagelsdorf, "das ist bei Standardsituationen wichtig." Der ideale Mann also für die oft beschriebene Brechstange, der dem Hamburger SV noch fehlte.

Zwei Jahre hat der Coach den Ex-Profi umworben, bis der im Frühjahr seine Zusage gab. In der viertklassigen Oberliga sollte er für die HSV-Amateure spielen und bei den Profis trainieren: "Er hatte die Zusage, seine Zeit so einzuteilen, wie es sein Job erlaubte." Ein fast unglaubliches Zugeständnis an einen Stand-by-Spieler. Und dann verlor Besters Arbeitgeber tm3 die Rechte für die Übertragungen der Champions League. "Da habe ich beschlossen, mich noch einmal voll auf den Profifußball zu konzentrieren", erzählt Bester, "und im Moment läuft alles für mich noch wie im Film ab." Champions League immerhin hat er jetzt auch wieder. Am Dienstag, beim 2:0-Erfolg der Hamburger im Qualifikationsspiel in Bröndby, saß er auf der Bank. A2-Nationalspieler Ronald Maul saß während des Spiels nur auf der Tribüne. "Das zeigt, wie nah er dran ist", so Pagelsdorf. Bei den HSV-Anhängern ist der 1,93 Meter lange Stürmer mit der Nummer 26 jedenfalls schon ganz weit vorne in der Gunst. Da lebt nämlich einer von ihnen den Traum von allen.

Auch von St.-Pauli-Fans wurde Bester schon verprügelt. Das adelt. Als er am 31. Oktober 1999 für Lüneburg gegen die Amateure des Kiezklubs traf, provozierte er die braun-weißen Fans mit einem T-Shirt, auf dem groß "HSV" stand: Nach der Partie wurde es handgreiflich, aber Bester verzichtete auf eine Anzeige. Fußball-Fan eben. Zum Saisonauftakt letztes Jahr begleitete er den HSV zu Bayern München, fuhr auf eigene Kosten mit dem Sonderzug und stand in der Hamburger Kurve. "Ich bin HSV-Anhänger seit ich kleiner Junge war", so Bester, "ich war mit meinem Großvater im Volksparkstadion - und der HSV verlor klar gegen Mönchengladbach. Da hatte ich Mitleid mit den HSV-Spielern und habe mich von da an für diesen Verein begeistert."

Jetzt spielt er wieder, mit neuem Ehrgeiz. Denn den ganz alten und neuen Kollegen, den Lothars, Olafs und Olivers muss er noch etwas beweisen: einer von ihnen zu sein, so richtig. Der einst traurige Marinus sehnt glücklich sein erstes Bundesligaspiel nach fünf Jahren und sein erstes Tor seit dem 14. November 1992 herbei. Am liebsten würde er es ja gegen Thomas Linke schießen, denn da gibt es noch eine Wette: Auf den Schultern will der Nationalverteidiger Bester vom Platz tragen, wenn er gegen ihn ins Schwarze trifft. Und das wäre dann das echte Happy End eines modernen Fußball-Märchens.

Claus Günter

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