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Ein letzter Antritt. Ende November spielte Ailton noch für den Bremer Viertligisten FC Oberneuland, inzwischen gilt er als verschollen. Foto: Nordphoto

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Sport: Mehr Kugel als Blitz

Wo steckt Ailton? Der einstmals beste Bundesligaspieler ist aus Bremen geflüchtet – er hat Schulden

Eigentlich lässt es sich ganz gut aushalten im Bremer Villenviertel Oberneuland. Unter der dicken Schneedecke wirkt die dörfliche Landschaft mit ihren großen Höfen und den alten Bäumen malerischer als ohnehin schon. Auch auf dem Fußballplatz des Viertligisten FC Oberneuland sind die Spieler mit Spaß bei der Sache, bewerfen sich vor dem Training gegenseitig mit Schneebällen. Doch das idyllische Bild täuscht. In Oberneuland geht es kurz vor Weihnachten nicht besinnlich zu.

Denn der größte Spaßvogel fehlt, bei der Schneeballschlacht und auch sonst. Ailton ist weg. Schon vor Ende der Hinrunde ist der Brasilianer in seine Heimat geflogen, in den Urlaub, in den Streik. Seit Monaten wartet Ailton in Bremen auf Geld. Er hat sich einen Anwalt genommen, will vor Gericht ziehen. Spielen wird er erst mal nicht mehr.

Sein Klub reagiert beleidigt und verschickte diese Woche eine patzige Mitteilung mit der Überschrift: „Jetzt hagelt es Geldstrafen!“ Für jedes verpasste Training soll Ailton ab sofort zahlen. „Von uns kann er keine Hilfe mehr erwarten“, sagt Karen Micheli, die Managerin des FC Oberneuland.

So viel ist klar: Ailton wird auch bei seinem zwölften Klub in sechs Jahren nicht glücklich werden. Dabei wollte er eigentlich nur eines: zurück nach Hause, seine Karriere in Bremen beenden. „Bremen isse immer in meine Kopfe, isse hundert Prozente Liebe“, hatte er bei seiner Rückkehr im Sommer verkündet – in diesem Kauderwelsch, für das die Fans ihn genauso liebten wie für seine Erfolge. 2004 war er Deutscher Meister mit Werder geworden, außerdem Torschützenkönig, Fußballer des Jahres, Publikumsliebling, der „Kugelblitz“ eben.

Wäre Ailton damals geblieben, vielleicht wäre alles, was folgte, nicht passiert. Vielleicht wäre der 37-Jährige heute ein geachteter, zufriedener Altstar. Doch Ailton blieb nicht. Das Geld, das Schalke zahlte, lockte ihn. Aber ohne das behütete Bremer Umfeld kam er nirgendwo zurecht, wechselte von Schalke zu Besiktas Istanbul, von wo man ihn bald weiterverlieh an den HSV. Kurze Zeit später tauchte er in Belgrad auf, dann in Zürich, Duisburg. Schnell war der „Kugelblitz“ nur noch, wenn es darum ging, den Verein zu wechseln. Die Ziele wurden immer abenteuerlicher: Donezk (Ukraine), Altach (Österreich) Campinense (Brasilien), Chongqing (China) und schließlich Uerdingen (Niederrheinliga, sechste Liga).

Da erschien die Rückkehr in die vierte Liga im Sommer fast wie ein Erfolg. Oberneuland war zwar nicht Werder, aber immerhin Bremen. Doch schon die kuriosen Umstände des Transfers ließen nichts Gutes vermuten.

Präsentiert wurde Ailton der Öffentlichkeit auf dem Dach einer Tankstelle. Ein Mineralölhändler aus der Region hatte den Transfer ermöglicht. Nach der Pressekonferenz posierte Ailton noch für die Fotografen an der Zapfsäule, in der Hand den Tankrüssel. Der Auftritt hatte etwas Tragisches. Der ehemalige Fußballer des Jahres – vorgeführt als Pausenclown. Doch genau dafür hatte man ihn geholt. Angestellt war Ailton nämlich nicht etwa beim Klub, sondern direkt beim Sponsor – und der suchte keinen Stürmer, sondern in den Worten des Junior-Chefs „ein tolles Zugpferd für Marketingaktivitäten“.

Doch Ailton zog nicht mehr. Über den Platz schleppte er sich wie ein übergewichtiger Altherren-Fußballer, mehr Kugel als Blitz. Gerade mal drei Tore gelangen dem einst besten Stürmer der Bundesliga. Meist wurde er nur noch eingewechselt. Auch mit dem Sponsor gab es bald Ärger. Offenbar nahm Ailton es mit den Marketingaktivitäten nicht so genau. Vielleicht hatte er keine Lust, vielleicht kollidierten die Termine auch mit anderen Verpflichtungen, jedenfalls soll der Brasilianer Auftritte versäumt haben. Weshalb die Tankstelle bald den Hahn zudrehte.

Für Ailton ist das dramatisch. Denn auf seiner Reise durch die Fußballwelt hat er kein großes Vermögen angehäuft, sondern Schulden. Von mehreren Hunderttausend Euro ist die Rede. Nur mit Hilfe von Freunden hält er sich im Moment über Wasser, heißt es in seinem Umfeld.

Im neuen Jahr will Ailton nach Deutschland zurückkommen. Doch ob er noch einmal irgendwo einen Vertrag als Fußballer unterschreibt, ist ungewiss. Die Angebote für ihn wandeln sich. Angeblich hat RTL angefragt, ob Ailton Kandidat werden wolle – in der Reality-Show „Raus aus den Schulden“.

Steffen Hudemann[Bremen]

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