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Mein Lieblingssport: Gewichtheben

Schön sind sie nicht, die Frauen so wenig wie die Männer. Schöne Sportlerkörper sieht man bei Leichtathletinnen und Turmspringern, aber nicht bei den Frauen und Männern, die mit dem Eisen kämpfen, den Gewichthebern.

Schön sind sie nicht, die Frauen so wenig wie die Männer. Schöne Sportlerkörper sieht man bei Leichtathletinnen und Turmspringern, aber nicht bei den Frauen und Männern, die mit dem Eisen kämpfen, den Gewichthebern. Ein 145-Kilo-Mann wie Matthias Steiner taugt als Werbefigur allenfalls für einen Kranverleih. Und doch hat dieser Sport seine besondere Ästhetik.

Ein Mann (oder eine Frau) gegen eine Hantel, mit massenweise Kilos beladen, in einem altmodischen Trikot, Magnesium an schwieligen Händen. Die Zeit läuft. Die Hände suchen die optimale Position. Dann ein Bewegungsablauf, der komplexer ist, als er aussieht. Und ein Moment, in dem sich alles entscheidet: Steht die Hantel stabil in der Luft – oder rast sie unaufhaltsam zu Boden?

Der Vorgang erzählt jedes Mal neu die Geschichte vom Kraftakt. Die Körper der Heber sind mehr Blicke wert als Schlankheitsfreaks meinen. Beine, Schultern, Oberarme: da geht es um Massivität, Robustheit, Spannung. Und die Gesichter: Manche Heber gucken introvertiert wie Mönche, mancher Ausdruck beim Hochreißen oder -ziehen spricht von den Schmerzen, die überstrapazierte Sehnen und geschundene Gelenke verursacht haben. Dann, wenn es darum geht, die Hantel in der Luft zu stabilisieren, erscheint auf den Gesichtern der reine, einsame Wille.

Gewichtheber wollen einen Moment lang stärker als die Schwerkraft sein, einen Moment lang das Gefühl haben, wie Atlas das Gewölbe des Himmels tragen zu können. Atlas? Himmel? Vielleicht sind Gewichtheber von gestern. Vielleicht ist dieser Sport, der sich im Grunde nie verändert hat, eine altmodische Sache. Ganz sicher ist der Ruhm, der die Heber gelegentlich umweht, von kurzer Dauer. Erinnert sich jemand an Ronny Weller? Wird es Matthias Steiner zu einem Werbevertrag für Grillwürste bringen? Bescheidenheit, vielleicht sogar Demut, gehört ganz sicher zur Gewichtheberethik.

Nehmen wir den aus Bulgarien stammenden 125-Kilo-Mann Yani Marchokov. Vor elf Jahren beförderte er 210 Kilo ohne Zögern, ohne Zweifel, anmutig und gewaltig gleichermaßen, in den Himmel. Fachleute halten den Lift für einen der besten in der Geschichte dieses Sports. 2005, 2007 gewann Marchokov Silber und Bronze. Danach war nichts mehr von ihm zu hören. Werner van Bebber

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