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Großer Turf. Jockey Ryan Moore ließ der Konkurrenz mit Protectionist keine Chance.

© Reuters

Melbourne Cup: Eine Lücke für Houdini

Überraschung in Australien: Der Hengst Protectionist gewinnt als erstes deutsches Pferd den legendären Melbourne Cup. Auch die rund 100.000 Zuschauer können es kaum glauben.

Der Sprecher auf dem Podium der Rennbahn in Melbourne konnte es offenbar kaum fassen. „Ein deutsches Pferd hat den Melbourne Cup gestohlen!“, brüllte er in sein Mikrofon. Auch die rund 100.000 Zuschauer konnten kaum glauben, dass in der 154-jährigen Geschichte des Melbourne Cups erstmals ein Pferd aus Deutschland gewonnen hatte. Trainer Andreas Wöhler aus Gütersloh hüpfte beim souveränen Zieleinlauf seines Hengstes Protectionist wie ein Gummiball durch die Gegend und umarmte jeden, der ihm in die Quere kam.

Mitbesitzer Christoph Berglar hielt sich etwas mehr zurück, war aber genauso begeistert. Monatelange Vorbereitung und hohe Kosten hatten sich vielfach verzinst, das „Race that stops a Nation“ war diesmal mit umgerechnet 4,3 Millionen Euro dotiert, allein 2,65 davon gehen an den Sieger. Protectionist unter dem britischen Star-Jockey Ryan Moore wurde nur kurz nach dem Start des 3200 Meter langen Rennens kurz bedrängt und lief anschließend optimal. Auf der langen Zielgeraden stieß Ryan aus dem Mittelfeld in eine Lücke vor, sein vier Jahre altes Pferd lief dem Feld scheinbar mühelos davon. Im Ziel hatte es vier Längen Vorsprung auf den Zweiten, Red Cadeaux, und noch eine halbe Länge mehr auf Who Shot Thebarman. Seit 2002 war kein Pferd in dem Traditionsrennen schneller unterwegs gewesen.

„Das ist eine tolle Leistung unseres Teams, einer der tollsten Erfolge überhaupt“, sagte der strahlende Trainer Andreas Wöhler, der gemeinsam mit Berglar Anfang August entschieden hatte, Protectionist auf das Abenteuer Australien loszulassen. „Der Jockey war großartig, er brauchte nur die Lücke ... und dann paff!“ Bei der Siegerehrung war der 52 Jahre alte Wöhler schon heiser, später kündigte er an, dass er mit seinem Team so richtig feiern werde. Berglar lobte den Hengst als „unbeirrt“. Zwei schwere Verletzungen hatten die Karriere von Protectionist bereits fast beendet, doch er hatte sich jedes Mal wieder erholt. Weitere Fragen blockte Beglar erst einmal ab: „Ich muss jetzt zu meinem Pferd.“

Fast einen Monat in Quarantäne in Newmarket (England) sowie in der Nähe von Melbourne hatten den Hengst offenbar auch nicht aus der Ruhe gebracht. Und das, obwohl er in Australien einmal wie Houdini aus seiner Box ausbrach, zunächst seine Nachbarpferde besuchte, dann ein bisschen fraß, bevor er sich damit amüsierte, Pferdedecken durch die Gegend zu schleifen – obwohl gleichzeitig ein tosendes Gewitter niederging, das andere Pferde wohl zutiefst erschreckt hätte.

Der deutsche Sieg ist erst der fünfte eines ausländischen Pferdes in der 154 Jahre langen Geschichte des bedeutenden Handicap-Rennens, neuseeländische Erfolge nicht mitgerechnet. Wie schwer es ist, in Melbourne zu gewinnen, beweist die Tatsache, dass der berühmte Rennstall Gandolphin des Scheichs Muhhamad bin Raschid al Maktum aus dem Emirat Dubai mittlerweile 20 Starter auf die teure Reise nach Australien geschickt hat, ohne einen einzigen Sieger vorweisen zu können.

Je nach Klasse und Form müssen die Pferde verschiedene Gewichte tragen. Protectionist war mit einem Gewicht von 56,5 Kilogramm inklusive Jockey unterwegs. Der japanische Favorit Admire Rakti hatte 58,5 Kilogramm auf dem Rücken. Das Pferd kam als letztes ins Ziel, kollabierte und starb vermutlich an einem Herzinfarkt. Traurigerweise kam auch das in Deutschland gezogene Pferd Araldo ums Leben: Irritiert durch eine Flagge im Publikum trat der Hengst nach hinten aus und brach sich dabei ein Bein. Er musste angesichts der Kompliziertheit des Bruches eingeschläfert werden.

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