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Mit Schwung aufs Treppchen. Nach der ersten Enttäuschung über die Finalniederlage gegen Russland können sich die Deutschen auch über Platz zwei freuen. Foto: contrastphoto

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Sport: Mit Silber versöhnt

Die Volleyballerinnen hoffen nach dem zweiten EM-Platz auf weitere Erfolge und mehr Anerkennung.

Berlin - Die Party in der Puro Sky Lounge über den Dächern von Berlin endete erst am Sonntagmorgen. Spätestens da hatten die deutschen Volleyballerinnen ihre Enttäuschung über das bittere 1:3 im Finale der Heim-EM gegen Weltmeister Russland weggetanzt. Selbst Verbandschef Thomas Krohne, der beim Oktoberfest vor einem Jahr das Ziel Gold gemeinsam mit Bundestrainer Giovanni Guidetti ausgegeben hatte, hatte sich am Ende mit Silber versöhnt.

Beim gemeinsamen Essen in der Lieblingspizzeria seines Trainers in der Hauptstadt bedankte sich der Medienunternehmer Krohne beim ganzen Team und hob die für die Randsportart überwältigende Präsenz in der Öffentlichkeit hervor. Das Endspiel hatten im Spartensender Sport 1 bis zu 1,05 Millionen Menschen gesehen. „Wir haben Silber gewonnen und nicht Gold verloren“, sagte Krohne. Auch im erst kurz vor der Europameisterschaft gestarteten Fanklub bei Facebook, der schon fast 8000 Likes hat, waren die Reaktionen durchweg positiv. „Danke Mädels für ein Hammerturnier!!! DIE Siegerinnen der Herzen seid Ihr!!!!“, lautete einer der vielen positiven Kommentare.

Trotzdem bleibt nach nunmehr zwei Silbermedaillen hintereinander bei Europameisterschaften die Frage, was den deutschen Volleyballerinnen noch zum ganz großen Coup fehlt. Ganz sicher eine stärkere Bundesliga, die international nicht mehr zweitklassig ist. Derzeit erreichen die Etats der besten Vereine zum Beispiel nicht einmal ein Zehntel von denen in der Türkei, wo Guidetti („Dort bin ich ein Star und werde ich auf der Straße erkannt“) Trainer beim europäischen Champions-League-Sieger Vakifbank Istanbul ist.

Selbst die berühmten Fußballvereine Fenerbahce und Galatasaray leisten sich dort jeweils eine Frauen-Volleyballmannschaft. Und alle operieren mit einem Budget von mindestens sieben Millionen Euro, weil Volleyball neben Fußball und Männer-Basketball eine Rolle als Topsportart ausfüllt. Der türkische Verband hat in vier großen Städten Viersternehotels mit Volleyballhalle und Shoppingcenter bauen lassen, um den Boom weiter zu befördern.

In Deutschland kriegen die Spielerinnen derzeit keinen Cent für ihren Einsatz im Nationalteam.

Verbandschef Krohne will den Rückenwind der Heim-EM jedoch nutzen, um Volleyball nach vorn zu bringen. Schon in der nächsten Woche beginnt die Männer-EM in Polen und Dänemark, wo die Mannschaft um Star Georg Grozer ebenfalls von einer Medaille träumt. Über Erfolge will Krohne mehr TV-Präsenz erreichen: „Ich war vor der EM bei allen Fernsehsendern und habe gefragt, was wir tun müssen, um gezeigt zu werden.“ Eine Idee ist ein Schulterschluss mit anderen Ballspielsportarten wie Handball oder Basketball. In den nächsten Wochen ist ein Treffen mit Heiner Brand verabredet, wo nach dem Vorbild des Wintersports über die Möglichkeit gesprochen werden soll, wichtige Spiele in mehreren Sportarten gemeinsam an einem „Super-Sunday“ auszutragen.

Noch ist es so, dass sich die deutschen Nationalspielerinnen am Sonntag zu ihren Vereinen nach ganz Europa von Polen bis Aserbaidschan zerstreuten. Giovanni Guidetti setzte sich nach der Party ins Auto und nahm die 2000 Kilometer nach Istanbul in Angriff. „Dienstag möchte ich da sein, am Wochenende habe ich einen wichtigen Termin!“ Er heiratet pünktlich an seinem 41. Geburtstag am 20. September seine türkische Verlobte, die für seinen Klub spielt. Und freut sich schon auf die nächsten Höhepunkte mit dem „besten Team, das es auf der Welt gibt“.

Durch die Finalteilnahme in Berlin sind die deutschen Frauen bereits für die EM 2014 und die WM 2015 qualifiziert. Und zumindest Corina Ssuschke-Voigt möchte irgendwann mit einer Goldmedaille um den Hals feiern: „Dafür werden wir weiter wie die Löwen kämpfen. Wir haben ja bei der EM die Unterstützung von vielen Fans gewonnen.“

Lars Becker

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