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Giulia Gwinn wird das DFB-Team erstmalig bei einer EM als etatmäßige Kapitänin auf den Platz führen.

© imago/HMB-Media/IMAGO/Hendrik Hamelau

„Ich will nicht die Schönste sein“: Giulia Gwinn möchte auf der EM-Bühne ihre Strahlkraft nutzen

Sie geht als neue Kapitänin der DFB-Frauen selbstbewusst und authentisch voran – mit Leidenschaft, Titelambitionen und einer klaren Botschaft auf und neben dem Platz.

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Giulia Gwinn sieht in allem eine Chance und nicht das Risiko des Scheiterns. Der große Druck, der bei der Fußball-EM auf ihr und den deutschen Nationalspielerinnen lastet? Eine Gelegenheit, gemeinsam den nächsten Schritt für den Frauenfußball in Deutschland zu gehen.

Als Kapitänin vielleicht nicht so mitzureißen, wie ihre Vorgängerin Alexandra Popp es getan hat? Gwinn will ihren ganz eigenen Weg gehen. Nervenflattern, weil sie die Spielerin ist, die Elfmeter schießt? Für sie eher die Aussicht, ihr Team mit einem Tor nach vorne zu bringen.

Wenn Giulia Gwinn das DFB-Team am Freitag in Basel im ersten Gruppenspiel gegen Polen (21 Uhr, ARD) auf den Rasen führt, wird sie das erstmalig als etatmäßige Kapitänin tun. Bundestrainer Christian Wück teilte ihr seine Entscheidung rund um das Nations-League-Spiel gegen die Niederlande im Februar mit.

In der gerade in der ARD erschienenen Doku „Shootingstars – Deutschlands neue Fußballgeneration: Brand, Gwinn, Nüsken“ erzählt sie, dass sie nach dem Gespräch mit Wück Tränen in den Augen hatte, als sie das Restaurant in Breda verließ.

„Es ist einfach eine sehr große Ehre für mich. Als kleines Mädchen angefangen, Fußball zu spielen, Fußball zu lieben und jetzt kurz vor einem großen Turnier zu stehen als Kapitänin ist etwas, was schwer in Worte zu fassen ist“, sagte sie am Dienstag im EM-Camp des deutschen Teams in Zürich.

Die Spielerin des FC Bayern München begann das Fußballspielen im Garten mit ihren beiden älteren Brüdern und schlich sich später heimlich zu ihrem ersten Training. Ihre Mutter wollte zunächst nicht, dass sie wie ihre Brüder jedes Wochenende auf dem Fußballplatz verbringt. Heute zählt Gwinn ihre Mutter zu ihren größten Unterstützerinnen.

Gwinn möchte niemandem nacheifern

Die Münchnerin, die an diesem Mittwoch 26 Jahre alt geworden ist, möchte das Amt der Spielführerin auf ihre ganz persönliche Art und Weise ausführen. Gwinns Unterarm ziert ein Tattoo mit dem Satz „Write your own Story“, was übersetzt „Schreib deine eigene Geschichte“ heißt.

Sie ist immer gut drauf und der sozialste Mensch, den ich kenne.

Jule Brand über Kapitänin Giulia Gwinn

Auch ihr im Mai erschienenes Buch trägt diese Worte als Titel. „Das Allererste, was ich mir vorgenommen hatte, war, das einfach authentisch auszuüben, mir selbst treu zu bleiben und mich nicht durch diese Rolle zu verändern“, sagte Gwinn im Trainingslager in Herzogenaurach vor einer Woche. „Trotzdem spürt man nochmal ein anderes Verantwortungsbewusstsein und möchte dem auch gerecht werden.“

Gwinn ist es wichtig, jeder Einzelnen im Team ein gutes Gefühl zu geben und alle miteinzubeziehen – sowohl die jüngeren als auch die älteren Spielerinnen. „Auf dem Platz gibt sie mir Sicherheit, glaubt an mich, auch wenn sie weiß, dass es gerade nicht läuft. Sie ist immer gut drauf und der sozialste Mensch, den ich kenne“, sagt etwa Jule Brand über die neue Spielführerin.

Gwinns Vorbild ist Bastian Schweinsteiger und dabei vor allem seine Art, als emotionaler Leader vorwegzugehen. Auf dem Platz sei sie eine völlig andere Person als daneben, erklärt sie.

Noch immer haftet ihr das Image der schönsten Spielerin an, noch immer wird sie nach Schminktipps oder ihrer schönsten Fashion-Errungenschaft gefragt. Dabei sei ihr Ziel natürlich nicht, die Schönste zu sein, sondern diejenige, die ihr Team mit ihrem unbändigen Willen am meisten mitreißt. Nicht unbedingt laut, aber leidenschaftlich.

Gwinn darf regelmäßig jubeln. Schließlich schießt sie die Elfmeter beim DFB-Team und trifft nahezu immer.

© IMAGO/Colorsport

„Natürlich bin ich eine junge Frau, mache gerne meine Haare schön und schminke mich auch mal“, erzählt die 26-Jährige. „Viel wichtiger ist mir aber, was auf dem Platz passiert. Da haue ich mich in die Zweikämpfe rein, da renn ich um mein Leben.“

Mit ihrer neuen Rolle geht auch eine andere Aufmerksamkeit einher. Gwinn war schon immer bekannt dafür, ihre Meinung zu sagen und auch vor unangenehmeren Themen nicht zurückzuschrecken.

Angesprochen auf den Umstand, dass sie bei der EM eine Regenbogenbinde tragen wird, meint sie, dass es intern gar keine Frage gewesen sei, es nicht zu tun. „Unsere Mannschaft steht einfach für so vieles, wir wollen genau diese Werte nach außen tragen und es ist natürlich schön, dass wir das auf der Bühne machen dürfen.“

Dass sie öffentlich anders wahrgenommen werde und ihre Äußerungen eine andere Strahlkraft haben, sieht sie als große Chance, für Dinge einstehen und ihre Meinung noch mal anders zu platzieren.

Zwei Kreuzbandrisse hielten sie nicht auf

Giulia Gwinn ist mit ihrer neuen Aufgabe gewachsen und auch auf dem Platz hat sie trotz ihrer zwei Kreuzbandrisse, weshalb sie unter anderem die WM vor zwei Jahren verpasste, große Schritte nach vorne gemacht.

Mittlerweile ist sie als rechte Außenverteidigerin die Konstanz in Person und hat ihre Stärken sowohl in der Defensive als auch in der Offensive. Gemeinsam mit Jule Brand dürfte die rechte Seite eine der stärksten bei dieser EM sein.

In den Tagen vor dem deutschen Turnierstart ist ihr die Vorfreude und Zuversicht deutlich anzusehen. „Wir haben ein unfassbares Potenzial in unserer Mannschaft und ich kann mich nicht erinnern, wann ich mal wirklich so zutiefst überzeugt war, dass wir was ganz Großes erreichen können.“

Dieses Gefühl sei im gesamten Team spürbar und soll sich gegen Polen in sportlichen Erfolg umwandeln. „Mit uns wird bei diesem Turnier auf jeden Fall zu rechnen sein.“

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