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Sport: Motorrad-WM: Mehr als ein PR-Gag

Eine ruhige Minute hat Katja Poensgen in den letzte Tagen nur selten gehabt. Pausenlos klingelt das Telefon; ein Fototermin jagt den anderen - und auch die Papierschlange, die aus dem Fax quillt, nimmt bedrohliche Ausmaße an.

Eine ruhige Minute hat Katja Poensgen in den letzte Tagen nur selten gehabt. Pausenlos klingelt das Telefon; ein Fototermin jagt den anderen - und auch die Papierschlange, die aus dem Fax quillt, nimmt bedrohliche Ausmaße an. Der guten Laune der Motorradrennfahrerin aus dem Allgäu tut der Stress keinen Abbruch: Geduldig beantwortet die 24-Jährige selbst die Fragen, die ihr zum hundertsten Mal gestellt werden - obwohl sie sich zwischendurch laut Gedanken macht, ob sie nicht doch einen Medienbetreuer einstellen sollte.

Warum sollte Katja Poensgen auch grantig sein? Schließlich wird sie, wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt, am 8. April in Suzuka ihr Debüt in der Motorrad-Weltmeisterschaft feiern. Und damit die erste Frau überhaupt sein, die in der Klasse bis 250 Kubikzentimeter Hubraum antreten darf. Der Einjahres-Vertrag beim britischen "Eurobet"-Team garantiert ihr eine stattliche Gage - und ein Sponsor hat ihr gar einen BMW Z3 zur Verfügung gestellt.

So viele Privilegien sind für einen Neuling ungewöhnlich. Und rufen daher Neid sowie böse Kommentare hervor. "Vielleicht sollte ich mich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, um auch einmal so eine Chance zu bekommen", meckert ein früherer Gegner - und im Branchenblatt "Motorsport aktuell" lästert ein Leserbriefschreiber über die hübsche Blondine: "Katja sollte das tun, bei dem sie eine wirklich gute Figur macht und was ihren Fähigkeiten entspricht: Top-Leuten wie Kenny (Roberts, dem Weltmeister der Klasse bis 500 ccm, Anm. d. Red.) in sexy Klamotten den Sonnenschirm halten".

Solche Kommentare, pflegt Katja Poensgen zu antworten, gingen ihr "beim einen Ohr hinein und beim anderen wieder heraus". Dennoch muss die Frage ernsthaft gestellt werden: Ist die Verpflichtung Katja Poensgens mehr als ein bloßer PR-Gag? Die Hauptperson selbst reagiert überraschend ehrlich: "Mit meinen bisherigen sportlichen Leistungen hätte kein Mann ein solches Angebot bekommen." Tatsächlich wäre ihr sechster Platz in der Superstock-Europameisterschaft, der dritten Liga für seriennahe Viertakt-Maschinen, unter normalen Umständen keine ausreichende Qualifikation für den Grand-Prix-Sport. Schließlich kämpfen hier die besten Motorradrennfahrer auf bis zu mehreren Millionen Mark teuren Zweitakt-Prototypen um den WM-Titel.

Dass sie im ersten Jahr keine Chance haben wird, um Top-Ten-Platzierungen oder gar Siege zu kämpfen, darüber macht sich Katja Poensgen keine Illusionen: "Ich werde in meiner ersten Saison je nach Strecke zwischen drei und sieben Sekunden pro Runde auf die Besten verlieren. Wenn ich jedes Mal die Qualifikation für das Rennen schaffe, ist das fürs Erste schon ein Erfolg." Bislang, so erklärt sie ihre zurückhaltenden Prognosen, kenne sie weder ihr neues Motorrad noch ihre Mechaniker-Crew. Hinzu komme der schwierige Umstieg vom Zweitakt- auf den Viertaktsport. "2001 wird ein Lernjahr, in dem niemand von mir etwas Großartiges erwarten darf", sagt Katja Poensgen.

Mittelfristig jedoch ist ihr Optimismus ungebrochen. Wenn alles nach Plan verläuft, will sie im nächsten Jahr mit einer gewissen Regelmäßigkeit unter die besten 15 kommen und damit ein paar WM-Punkte sammeln. Für das Jahr 2003 hätte sie dann Top-Ten-Ränge im Visier. Wie ernst sie die Herausforderung Motorrad-Weltmeisterschaft nimmt, zeigt ihre Saisonvorbereitung: Zwischen 35 und 40 Stunden wöchentlich schwitzt sie im Fitness-Studio, betreut von Gregor Haslberger, dem früheren Physiotherapeuten von Skisprung-Weltcupsieger Martin Schmitt. Ergänzt wird dieses Programm von ausgedehnten Konzentrationsübungen. Und auch ihre Ernährung hat sie radikal umgestellt.

Ob das alles reicht, um die Zweifler verstummen zu lassen? Ihr sportliches Können wird Katja Poensgen in der kommenden Saison unter Beweis stellen müssen. Auf wirtschaftlicher Ebene hingegen hat sich ihre Verpflichtung für den Eurobet-Rennstall längst rentiert. "So oft wie vor dieser Saison", sagt Teamchef Martin Wilding begeistert, "waren unsere Sponsoren noch nie im Bild."

Claus Hecking

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