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Sport: Nach der Party

In Südkorea ist Guus Hiddink ein Held, heute tritt er mit Eindhoven als Außenseiter in Dortmund an

Eindhoven. Der Mann im schwarzen Trainingsanzug ist fast schon in der Vereinskantine des PSV Eindhoven verschwunden, da kommt Bewegung in das Grüppchen der Südkoreaner. Schnell Kameras und Filzschreiber zücken, um ja den Besuch bei Guus Hiddink zu dokumentieren. Der hat mittlerweile viel Erfahrung mit lächelnden Asiaten. Er gibt auf T-Shirts Unterschriften, malt noch ein Herzchen drumherum, ruft dann einer zurückhaltenden jungen Dame zu, die mit ihm aufs Foto will: „Nicht so schüchtern“, und zieht sie an sich. Es macht klickklick, Hiddink verschwindet, die Gäste strahlen.

14 Besucher sind es an diesem Vormittag in De Herdgang, dem Trainingsgelände des PSV Eindhoven. Relativ wenige. Vor zwei Wochen standen hier 50 Südkoreaner. Und all diese Menschen aus Suwon, Seoul oder Taegu pilgern Trainingstag für Trainingstag nur deshalb in dieses lauschige Waldgebiet, um dem Mann zu huldigen, der ihr Nationalteam im Sommer bei der Weltmeisterschaft auf Rang vier führte, heute Abend aber mit Eindhoven in der Champions League bei Borussia Dortmund antritt (20 Uhr 45, live auf Premiere).

„Ich weiß gar nicht, wo die alle herkommen“, sagte der Hochverehrte später verwundert. Die Besucher sind weitergezogen – womöglich nach Varsseveld in der Nähe von Nimwegen, wo Hiddinks Eltern und sein Bruder wohnen und ihm immer von den koreanischen Horden vor seinem Geburtshaus berichten. „Ich betrachte das mit einem Lächeln“, sagt der 55-jährige Trainer. Vermisst er Korea? „Auf gewisse Weise schon. Aber das Leben kann kein endloser Höhepunkt sein.“ Den Anblick der Heerscharen begeisterter, aber friedlicher Südkoreaner hat er in vollen Zügen genossen – Vergangenheit. „Wenn die Party am schönsten ist, musst du gehen. Sonst bekommst du Schwierigkeiten“, sagt der Niederländer, der in Madrid ein Haus besitzt und sich im Privaten als südländische Seele („Wird es spät in der Nacht, kümmert mich das nicht“) kennt.

Guus Hiddink blickt auf den herbstlichen Laubwald und sagt: „Jetzt genieße ich es aber auch sehr, hier zu arbeiten.“ Daran änderten auch die Briefe mit Morddrohungen und Gewehrkugeln, die im August und noch einmal Anfang Oktober in seinem Briefkasten lagen, nur kurzzeitig etwas. Wenn er mit Eindhoven ähnlich viel Erfolg habe wie mit Südkorea, würde er erschossen, stand in den Schreiben. Nach dem zweiten Brief sei er „ein bisschen paranoid“ geworden, sagt Hiddink und demonstriert die verkrampfte Haltung, mit der er abends nach einem Trainingsspiel das Lenkrad umklammerte. „Ich bin auf dem Vereinsgelände mit meinem Auto regelrecht geflohen. Vor mir war das Tor fast geschlossen. Normalerweise steige ich aus, damals habe es mit meinem Wagen aufgedrückt. Total verrückt. Nach drei, vier Tagen habe ich mich dann beruhigt.“

Möglicherweise auch deshalb, weil Feyenoord Rotterdams Trainer Bert van Marwijk sowie Frank Rijkaard als Trainer von Sparta Rotterdam und der niederländische Verbandsdirektor Henk Kessel ähnliche Drohungen erhalten hatten. „Die Absender sind ein, zwei Irre“, sagt Hiddink. Im Moment fürchtet er sich „nur ein bisschen. Aber man weiß nie“.

Man weiß auch nie, ob für den Tabellenzweiten der Ehrendivision heute im Westfalenstadion nicht doch etwas zu holen ist. 1:3 hatte Eindhoven das Hinspiel verloren. „Wir haben kindische Fehler gemacht“, sagt der Trainer. Einerseits. Andererseits: „Wir müssen realistisch sein. Dortmund hat eine viel größere wirtschaftliche und deshalb auch sportliche Potenz. Die Borussia muss schon normal oder schlecht und wir exzellent spielen, wenn wir gewinnen wollen.“ Wenn er Zeit hat, sagt Hiddink, „fahre ich in den Kohlenpott und schaue mir Spiele an“. Er mag den deutschen Fußball. „Weil er gut organisiert ist.“ In Südkoreas Nationalteam hat der Trainer als erste Anordnung ein paar Offizielle, die ohne erkennbare Aufgabe ständig beim Team waren, weggeschickt. Diese klare Linie verfolgt er jetzt auch beim PSV Eindhoven.

Chefcoach will er zumindest bis 2004 bleiben, daneben aber auch zunehmend als Manager wirken. „Ich will hier etwas aufbauen“, sagt der Mann, der mit den Niederlanden 1998 WM-Vierter geworden ist. Aber wieder ein Nationalteam übernehmen? 2006 ist die nächste WM. „Das ist sehr weit weg“, sagt Hiddink. „Aber eine Mannschaft auf eine Weltmeisterschaft vorzubereiten, das gefällt mir schon ganz besonders gut.“

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