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Jamal Musiala hat sich einen Wadenbeinbruch und eine Luxation des Sprunggelenks zugezogen.

© AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Nach der Verletzung bei der Klub-WM: Diese Fälle können Jamal Musiala Hoffnung machen

Der Oberschenkel von Ewald Lienen, Uwe Seelers Achillessehne und der Schädelbruch von Petr Cech: Viele Verletzungen haben sich als weniger dramatisch herausgestellt als anfangs befürchtet.

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Die Bilder von der Verletzung, die Jamal Musiala im Viertelfinale der Klub-WM gegen Paris Saint-Germain erlitten hat, waren nichts für sensible Gemüter. Der Offensivspieler des FC Bayern München hat sich am Samstag beim Zusammenprall mit Giuanluigi Donnarumma, dem italienischen Torhüter des Champions-League-Siegers, einen Wadenbeinbruch und eine Luxation des Sprunggelenks zugezogen.

Wie lange Musiala den Bayern und auch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fehlen wird, lässt sich derzeit nicht verlässlich prognostizieren. Was Hoffnung macht: Manchmal geht es bei schweren Verletzungen schneller als zunächst befürchtet. Hier einige Beispiele aus der Geschichte des Fußballs.


Uwe Seeler

Helmut Schön, der Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft, ist dafür bekannt, dass er die Dinge manchmal schwerer nimmt, als es eigentlich nötig wäre. Die Nachricht, die ihn im Februar 1965 ereilt, ist daher dazu geeignet, ihn komplett aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen. Uwe Seeler, der Kapitän der Nationalmannschaft, hat sich im Bundesligaspiel des Hamburger SV bei Eintracht Frankfurt die Achillessehne gerissen.

Rechtzeitig zurück. Uwe Seeler (rechts) und Schwedens Kapitän Orvar Bergmark bei der Platzwahl vor dem entscheidenden WM-Qualifikationsspiel.

© imago/Sven Simon

„Ich war natürlich zu Tode erschrocken“, hat Schön, der erst seit einem guten Jahr Bundestrainer ist, in seiner Autobiografie geschrieben. „Ohne Uwe konnte man sich eine Nationalmannschaft nicht denken.“ Und gerade jetzt steht die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1966 in England an.

In jener Zeit ist es keineswegs ausgemacht, dass ein Fußballer nach einem Achillessehnenriss noch einmal auf den Platz zurückkehrt. Im Gegenteil. Die Nation sorgt sich bei dem 28 Jahre alten Seeler um die Fortsetzung seiner Karriere. Aber der Nationalspieler ist ein Kämpfer.

Zwei Tage nach dem Spiel in Frankfurt wird Seeler in einer Hamburger Privatklinik operiert. Aus beiden Unterschenkeln werden ihm Sehnen entnommen, mit denen die gerissene Achillessehne geflickt wird. Und bereits am zweiten Spieltag der Saison 1965/66 feiert der Mittelstürmer sein Comeback – in speziell für ihn angefertigten Schuhen. Das Adidas-Modell „Achilles“ wird nicht nur am Spann geschnürt, sondern zusätzlich auch an der Ferse.

Bundestrainer Schön kann durchatmen. Seeler ist rechtzeitig zum entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden in Stockholm zurück. Nach dem 1:1 im Hinspiel dürfen die Deutschen die Partie nicht verlieren. Sie geraten 0:1 in Rückstand – und gewinnen am Ende 2:1. Den Siegtreffer erzielt Uwe Seeler kurz nach der Pause.

„Ich bewundere diesen Mann, der nach einer so schweren Verletzung wiederkommen kann und sich derart einsetzt“, sagt Schwedens Trainer Torsten Lindberg nach dem Spiel. „Immer in Bewegung, immer in Aktion, ein herrlicher Fighter.“


Ludwig Müller

„Schweine!“, rufen die Fans im ausverkauften Berliner Olympiastadion, als Ludwig „Luggi“ Müller von den Sanitätern auf einer Trage vom Platz gebracht wird. Die Stimmung ist aufgeheizt, das war sie schon vor dem Anpfiff. Und das, was sich Sekunden vor dem Abpfiff zuträgt, passt da natürlich perfekt ins Bild. Ausgerechnet Roberto Boninsegna!

Das Ende seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach. Luggi Müller hat sich im Wiederholungsspiel gegen Inter Mailand das Schien- und Wadenbein gebrochen.

© imago images/Horstmüller/HORSTMUELLER GmbH via www.imago-images.de

Den Stürmer von Inter Mailand ist für das deutsche Publikum ohnehin der Schurke in dieser vermeintlichen Schmierenkomödie. Am 20. Oktober 1971 war er im Europapokalspiel bei Borussia Mönchengladbach, angeblich von einer Cola-Dose am Kopf getroffen, zu Boden gesunken.

Der grandiose 7:1-Sieg der Gladbacher gegen Inter war daraufhin von der Uefa annulliert worden, das Spiel auf neutralem Boden, im Berliner Olympiastadion eben, neu angesetzt worden. Aber ein zweites Spektakel der Gladbacher Fohlenelf gegen den Italienischen Meister gibt es nicht.

Kurz vor Schluss steht es immer noch 0:0 und die Borussia damit unmittelbar vor dem Ausscheiden. Müller und Boninsegna liefern sich noch einmal ein Duell um den Ball. Beide gehen zu Boden, aber nur der Italiener steht anschließend wieder auf.

Borussias Vorstopper hat sich einen Schien- und Wadenbeinbruch zugezogen – und wird nie wieder für die Gladbacher zum Einsatz kommen. Anders als zunächst befürchtet, ist Müllers Karriere allerdings noch längst nicht vorbei. Das Olympiastadion, in dem er sich am 1. Dezember 1971 so folgenschwer verletzt hat, wird seine neue sportliche Heimat.

Zehn Monate nach dem Spiel gegen Inter unterschreibt der Verteidiger, 31 Jahre alt inzwischen, einen Vertrag bei Hertha BSC. Im Oktober 1972, im Auswärtsspiel bei Werder Bremen, feiert er schließlich sein Comeback in der Bundesliga. „Durch den in letzter Minute losgeeisten Ludwig Müller hat die Hertha-Abwehr an Festigkeit gewonnen“, schreibt der Tagesspiegel nach dem 1:1 der Berliner in Bremen.

Knapp drei Jahre spielt Luggi Müller noch für Hertha. Er wird Kapitän der Mannschaft und 1975, zum Abschluss seiner Karriere, hinter seinem Ex-Klub Borussia Mönchengladbach Vizemeister. Es ist bis heute Herthas beste Platzierung in der Bundesliga.


Ewald Lienen

Ewald Lienen hält sich nach Norbert Siegmanns Foul den aufgeschlitzten Oberschenkel.

© imago/Sven Simon/imago sportfotodienst

In der Geschichte der Fußball-Bundesliga gibt es vermutlich keine Verletzung, die sich derart ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat wie die klaffende, 25 Zentimeter lange Wunde auf dem rechten Oberschenkel von Ewald Lienen.

Es ist ein schöner Sommertag im August 1981. Am zweiten Spieltag der neuen Saison empfängt Aufsteiger Werder Bremen im Weserstadion die Arminia aus Bielefeld. Ewald Lienen, Außenstürmer der Gäste, sprintet die Seitenline entlang, als ihm Bremens Verteidiger Norbert Siegmann mit gestrecktem Bein in die Parade fliegt. Mit den Stollen seines Schuhs erwischt er Lienen am Oberschenkel.

Ich starre in meinen offenen Oberschenkel, erkenne etwas Weißes, das aussieht wie eine eingelegte Ananasscheibe, und erleide einen Schock.

Ewald Lienen über die Folgen des Fouls von Norbert Siegmann

Was dann passiert, hat Lienen in seiner Autobiografie so beschrieben: „Ich starre in meinen offenen Oberschenkel, erkenne etwas Weißes, das aussieht wie eine eingelegte Ananasscheibe, und erleide einen Schock.“ Trotzdem rappelt er sich noch einmal auf, humpelt mit erhobener Faust Richtung Otto Rehhagel auf der Bremer Trainerbank und ruft: „Du hast ihn aufgefordert, was zu machen!“

Zum Glück sieht die Verletzung weitaus schlimmer aus, als sie es tatsächlich ist. Weil weder Sehnen noch Muskeln in Mitleidenschaft gezogen worden sind, kehrt Ewald Lienen nur 17 Tage später ins Training zurück. Und bereits am sechsten Spieltag feiert er bei den Bielefeldern sein Startelf-Comeback.


Lothar Matthäus

Im Frühjahr 1992 ist die Stimmung unter den Fans von Inter Mailand alles andere als gut. Die Mannschaft dümpelt irgendwo im Mittelfeld, die Spieler genießen nur noch wenig Kredit. Das muss auch Lothar Matthäus erfahren, nachdem er sich im Heimspiel gegen den AC Parma am 12. April 1992 vorzeitig hat auswechseln lassen.

Der deutsche Mittelfeldspieler ist nach einem Pressschlag in ein Loch im Rasen getreten, ist weggeknickt und hat sich dabei das Knie verdreht. Kein Grund, nicht weiterzumachen, denken viele der Zuschauer. Aber da irren sie. Wie sich erst einige Tage später herausstellt, hat sich Matthäus das Kreuzband gerissen.

Lothar Matthäus zu Beginn der Saison 1991/92, die seine letzte für Inter Mailand sein würde.

© imago images/Sportfoto Rudel/Pressefoto Rudel/Herbert Rudel via www.imago-images.de

„Damals standen die Chancen 50:50, dass man nach so einer Verletzung wieder aktiv würde Fußball spielen können“, hat Matthäus in seiner Autobiografie geschrieben. Tatsächlich spekuliert der „Kicker“ im Frühjahr 1992 bereits über das mögliche Karriereende des damals 31-Jährigen und zitiert den früheren Nationalspieler Paul Breitner mit den Worten: „Wir müssen damit rechnen, dass dies das Ende der ganz großen Karriere von Lothar Matthäus bedeutet.“

Auch Inter bereitet sich schon auf die Zeit nach Matthäus vor. Im Sommer verpflichtet der Klub vier ausländische Spieler: Matthias Sammer vom VfB Stuttgart, den Mazedonier Darko Pancev, den Russen Igor Schalimow und Ruben Sosa aus Uruguay. Dabei dürfen in der Serie A zur damaligen Zeit nur drei Ausländer gleichzeitig spielen.

Für Lothar Matthäus ist dies der letzte Hinweis, dass es wohl besser sein würde, sich einen neuen Verein zu suchen – der in seinem Fall der alte ist. Für eine Ablöse von vier Millionen Mark kehrt der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft Ende August zum FC Bayern München zurück, von dem er 1987 zu Inter gewechselt war. Bereits am 19. September 1992, rekordverdächtige fünf Monate nach seiner Verletzung, feiert er im Heimspiel gegen Wattenscheid 09 sein Comeback.

Es wird einem schlecht, wenn man das sieht.

Marc Rieper über die Verletzung seines Teamkollegen Henrik Larsson

Matthäus nimmt anschließend noch an zwei WM- und einer EM-Endrunde teil und beendet seine Karriere erst im September 2000 bei den New York Metro Stars. Im Alter von fast 40 Jahren.


Henrik Larsson

Marc Rieper verdingt sich im Oktober 1999 als Co-Kommentator beim Fernsehen, als seine Kollegen von Celtic Glasgow in der zweiten Runde des Uefa-Pokals bei Olympique Lyon antreten. Erst etwas mehr als zehn Minuten sind gespielt, als dem Dänen ganz anders zumute wird. „Es wird einem schlecht, wenn man das sieht“, sagt er.

Der Schwede Henrik Larsson brach sich im Oktober 1999 das Schien- und Wadenbein. Im Mai 2000 kehrte er auf den Platz zurück.

© IMAGO/TT/IMAGO/Jonte Wentzel

Sein Teamkollege Henrik Larsson ist in einem Laufduell mit Lyons Serge Blanc im Rasen hängen geblieben. Blanc tritt ihm mit voller Wucht in die Wade – unbeabsichtigt, aber auch so heftig, dass die Knochen des schwedischen Nationalspielers splittern und aus dem Unterschenkel herauszustehen scheinen.

Larsson hat später mal erzählt, was ihm durch den Kopf ging, als er in Lyon auf dem Rasen lag: Er habe die Monate zur Europameisterschaft im kommenden Sommer gezählt. Bei der EM in Holland und Belgien für Schweden zu spielen, das ist sein Ziel.

Und er schafft es. Im Mai 2000, nur sieben Monate nach seiner schweren Verletzung, feiert der Stürmer sein Comeback. Es folgen noch viele erfolgreiche Jahre, in denen Larsson Meister in Schottland, Spanien und England wird, den Goldenen Schuh für den besten Torschützen Europas gewinnt und 2006 mit dem FC Barcelona den Titel in der Champions League holt

Petr Cech zog eine Konsequenz aus der schweren Kopfverletzung, die für ihn böse hätte ausgehen können: Fortan spielte er nur noch mit einem Schutzhelm.

© IMAGO/Newscom World/IMAGO/David Klein


Petr Cech

Gerade 16 Sekunden ist das Spiel des FC Chelsea gegen den FC Reading alt, als es für Petr Cech auch schon wieder beendet ist. Der tschechische Torhüter der Londoner hat das Knie von Readings Stephen Hunt mit voller Wucht an den Kopf bekommen. Cech taumelt, er ist sichtlich benommen und will trotzdem zunächst weitermachen.

Erst als er in der Kabine ohnmächtig wird, erkennen Chelseas Teamärzte das besorgniserregende Ausmaß seiner Verletzung. Cech hat sich eine Schädelimpressionsfraktur zugezogen und muss noch am selben Tag operiert werden. „Petr hat Glück, dass er noch lebt“, sagt sein Trainer José Mourinho.

Dass Cech lange würde pausieren müssen, das rückt angesichts dieser dramatischen Umstände in den Hintergrund. Aber schon drei Monate später steht der Tscheche für Chelsea schon wieder zwischen den Pfosten. Bis zu seinem Karriereende im Jahr 2019 jedoch stets mit einem maßgefertigten Schutzhelm aus Kunststoff.

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