
© AFP/RONNY HARTMANN
Nach Kritik an Demirals Wolfsgruß: Türkei bestellt deutschen Botschafter ein
Der Wolfsgruß bei der Fußball-EM löst diplomatische Spannungen aus: Während Ankara den Gruß verteidigt, fordert Deutschland klare Grenzen gegen rechtsextreme Symbolik im Sport.
Stand:
Nach Kritik aus Berlin am umstrittenen Wolfsgruß-Jubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral im Achtelfinale der Fußball-Europameisterschaft hat die Türkei den deutschen Botschafter einbestellt. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Diplomatenkreisen.
Demiral hatte die nationalistische Geste nach seinem zweiten Tor beim 2:1-Sieg seiner Mannschaft gegen Österreich am Dienstagabend gezeigt.
Der sogenannte Wolfsgruß gilt als Symbol der rechtsextremen türkischen Organisation „Graue Wölfe“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die auch als Ülkücü-Bewegung bekannte Organisation als rechtsextremistische Gruppierung ein, die sich gegen Völkerverständigung, das friedliche Zusammenleben der Völker und gegen Wertvorstellung des Grundgesetzes richtet. Ihre Ideologie zeichne sich durch Rassismus, Antisemitismus sowie Christenfeindlichkeit aus.
„Graue Wölfe“ werden vom Verfassungsschutz beobachtet
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte wegen des Vorfalls die Uefa auf, Sanktionen zu prüfen. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen“, schrieb Faeser im Onlinedienst X.
Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
„Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel“, fügte sie hinzu. Die Innenministerin verwies zudem darauf, dass die Grauen Wölfe vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Die „Grauen Wölfe“ gelten als militanter Arm der rechtsextremen türkischen Partei MHP. Die Gruppe vertritt radikale Ideen und wandte in den 1980er Jahren Gewalt gegen linke Aktivisten und ethnische Minderheiten an.
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In Deutschland sind weder die „Grauen Wölfe“, noch ihr Gruß verboten – in Österreich und Frankreich allerdings schon. Die Linkspartei will das ändern. Die Uefa hat wegen des Vorfalls eine Untersuchung wegen „unangemessenen Verhaltens“ eingeleitet. Sollte Demiral bestraft werden, könnten ihm Folgen für das anstehende Viertelfinale gegen die Niederlande drohen.
Türkei nimmt Demiral in Schutz
Ankara nahm den Verteidiger vom saudi-arabischen Klub Al-Ahli in Schutz. „Die Reaktion der deutschen Behörden gegenüber Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich“, erklärte das türkische Außenministerium.
Die Reaktion der deutschen Behörden gegenüber Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich.
Außenministerium der Türkei
Es verwies ebenfalls auf die Einschätzung des deutschen Verfassungsschutzes, wonach „nicht jeder Mensch, der den Wolfsgruß zeigt, als rechtsextrem bezeichnet“ werden könne. Das Ministerium sprach von einem „historischen und kulturellen Symbol“, das sich gegen „niemanden“ richte.
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Demiral selbst hatte nach dem Spiel in Leipzig gesagt, es stehe „keine versteckte Botschaft“ hinter seinem Torjubel. „Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun“, sagte er. In der Nacht veröffentlichte der 26-Jährige ein Foto seines Jubels auf X. Er hoffe, dass es „noch mehr Gelegenheiten gibt, diese Geste zu zeigen“.
Özdemir fordert Wolfsgruß-Verbot
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schrieb auf X, am Wolfsgruß sei tatsächlich nichts versteckt: „Seine Botschaft ist rechtsextrem, steht für Terror, Faschismus.“
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Özdemir forderte die Uefa auf, Konsequenzen zu ziehen, zudem müsse auch außerhalb des Stadions „die Toleranz gegenüber grauen Wölfen enden“. Wer eine „Brandmauer“ gegenüber der AfD fordere, „muss sie auch gegenüber dem türkischen Faschismus errichten“, forderte der Minister.
Österreich habe den Gruß zurecht unter Strafe gestellt, das müsse auch in Deutschland gelten, bekräftigte der Grünen-Politiker. „Ich frage mich, warum das Zeigen des Symbols des Grauen Wolfes nicht auch bei uns längst verboten ist. Diese rechtsextreme Geste steht für widerlichen Antisemitismus und die Vertreibung der letzten Christen aus dem Siedlungsgebiet der Urchristen.“
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Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal fand ebenfalls deutliche Worte für die Geste und brachte ihre eigene Erfahrung ein. „Seit Jahren bekomme ich von Anhängern der Grauen Wölfe, einer der größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland, Morddrohungen. Dass Merih Demiral hier den rechtsextremen Wolfsgruß zeigt, ist eine Verhöhnung der Opfer“, schrieb Tekkal bei X. „So bitter für die türkischen Fans.“
„Absoluter Skandal“
Die Journalistin rief die UEFA zum Handeln auf. „Auch beim Rassismus und Faschismus in Teilen der Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte darf die Gesellschaft nicht wegsehen! Es gilt alle Formen der Menschenverachtung und Verfassungsfeindlichkeit zu bekämpfen! Alles andere ist Makulatur.“
Die Gesellschaft für bedrohte Völker rief ebenfalls auf, das Zeigen des Wolfsgrußes nicht zu dulden. „Am Jahrestag des Sivas-Massakers so prominent den Wolfsgruß zu zeigen, ist ein absoluter Skandal“, sagte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido. „Die türkische Nationalmannschaft muss sich öffentlich vom Zeigen des rechtsextremen Symbols distanzieren.“
Die türkische Nationalmannschaft muss sich öffentlich vom Zeigen des rechtsextremen Symbols distanzieren.
Kamal Sido, Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker
Vor 30 Jahren hatte ein von religiösen Extremisten aufgehetzter islamistischer Mob ein Hotel im Stadtzentrum von Sivas in Brand gesteckt, in dem sich alevitische Schriftsteller, Sänger und Intellektuelle aufhielten. In den Flammen kamen 37 Menschen ums Leben, die meisten Opfer waren alevitischen Glaubens. Aleviten sind eine religiöse Minderheit in der mehrheitlich sunnitischen Türkei.
Der türkische Exiljournalist und Autor Can Dündar schrieb auf X: „Glückwunsch, Merih! Mit einem einzigen Zeichen hast du die 100-prozentige Freude auf 5 Prozent verringert.“
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Tuncay Özdamar, Leiter der türkischen Redaktion von WDR, wirft dem Spieler ebenfalls vor, die Fans, das Team und das Land zu spalten. „Die türkische Nationalmannschaft hat anscheinend niemanden, der die Spieler vor solchen dümmlichen Gesten warnt.“, schreibt er.
Wolfsgruß ist in Österreich verboten
Der österreichische Grünen-Politiker Thomas Rammerstorfer wies auf X darauf hin, dass der „Wolfsgruß“ in Österreich seit 2019 verboten ist. Die Geste sei ein Skandal und die UEFA sollte den Spieler von der EM ausschließen, schrieb er.
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Merih Demiral traf am Dienstag in Leipzig nach 57 Sekunden zum schnellsten Tor in der K.-o.-Runde einer EM sowie in der 59. Minute. Um den Einzug ins Halbfinale der EM spielt die Türkei am Samstag in Berlin gegen die Niederlande.
Unabhängig von Demirals Wolfsgruß forderte der österreichische Stürmer Michael Gregoritsch die Fans auf, sich von „rechtem Gedankengut“ zu distanzieren. Österreich-Fans hatten vor dem Spiel gegen die Türkei in Leipzig zur Melodie von Gigi D’Agostinos Song „L’amour toujours“ die Verunglimpfung „Ausländer raus“ gesungen.
Der Song aus dem Jahr 1999 wird immer wieder als Code für eine rechte Gesinnung benutzt, dies wurde mit dem sogenannten Sylt-Video in den Online-Netzwerken auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. (AFP/dpa/tsp)
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