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Nach Niederlage: Hertha spricht nicht über die Zweite Liga

Der Tabellenletzte Hertha BSC verliert erstmals im Jahr 2010 – und weigert sich, über die Zweite Liga zu reden.

Irgendwann zwischen den vielen Fernsehinterviews, die Friedhelm Funkel am späten Abend geben musste, war Zeit für eine kurze Pause. Er nutzte sie zu einem Blick auf den Fernsehschirm in den Katakomben des Weserstadions. Gezeigt wurde, natürlich, Fußball. Zweite Liga, St. Pauli gegen Karlsruhe. Mit ein wenig Boshaftigkeit könnte man nun behaupten, der Trainer von Hertha BSC habe die Zeichen der Zeit erkannt und beschäftige sich rechtzeitig mit dem, was da im kommenden Sommer auf ihn und seinen Verein zukommen wird. Woher sollte der abgeschlagene Tabellenletzte schon Mut schöpfen nach diesem deprimierenden 1:2 beim SV Werder? Es war die erste Niederlage mit den ersten Gegentoren im Fußball-Jahr 2010, der Aufschwung macht erst einmal Pause, und natürlich ist am Freitagabend die Frage nach der Zweiten Liga gestellt worden, und das nicht nur einmal. „So ein Quatsch“, knurrte Funkel. „Wir stellen doch jetzt nicht den Spielbetrieb ein. Abgerechnet wird nach 34 Spielen“ und nicht nach Runde 21, so frustrierend sie für Hertha auch verlaufen sein mag.

Fußball ist ein Spiel, das von Fehlern lebt. Wie langweilig Fußball ohne Fehler sein kann, war beim WM-Finale1994 zu sehen, als Brasilien und Italien einander auf so hohem taktischen Niveau beharkten, dass es zu kaum einer Torszene kam. Diese Gefahr war am Freitag in Bremen nicht gegeben. Für die Berliner hatte dieses Menschenrecht auf Fehlleistung aus zweierlei Gründen dramatische Konsequenzen. Sie schossen zum einen ein Tor, das wegen des Versagens eines Einzelnen keine Anerkennung fand. Und sie kassierten eines, das sie nie hätten kassieren dürfen. Der Reihe nach.

Da war zunächst jene Szene nach exakt einer halben Stunde. Werder stürmte, Werder hatte Chancen, bekam den Ball aber nicht am großartigen Torwart Jaroslav Drobny vorbei. Ratlosigkeit machte sich breit. Adrian Ramos, Herthas Kolumbianer, nutzte eine Unaufmerksamkeit in der Bremer Defensive und spielte den Ball punktgenau in den Lauf von Theofanis Gekas, der rechtzeitig gestartet war, Torhüter Wiese elegant umspielte und einschob zur vermeintlichen Führung. Der Schiedsrichterassistent hatte beste Sicht und hob doch die Fahne. Abseits? Kein Abseits! „Dazu brauche ich keine Fernsehbilder um zu sehen, dass das ein völlig reguläres Tor war“, grollte Trainer Funkel. „Wenn wir hier in Führung gehen, wird das ein völlig anderes Spiel.“ Eines mit nervösen Bremern, die vielleicht alle defensiven Prinzipien über Bord geworfen hätten. Eine Einladung für Hertha zum Konterspiel, das diesem Team so sehr behagt.

So aber wurde eine doppelte Berliner Fehlleistung zur Pointe dieses kurzweiligen Abends. Es begann beim Stand von 1:1 – Marko Marin hatte Werder in Führung gebracht, Gekas hatte ausgeglichen – mit einem dummen Foul von Florian Kringe an Werders Kapitän Torsten Frings. Ein Foul ohne Vorsatz, Kringe wollte den Ball wegschlagen, aber nach 80 kräftezehrenden Minuten gehorchten die Beine nicht mehr so recht und Kringe traf nicht den Ball, sondern des Bremers Beine. So etwas kann passieren.

Anderes aber darf nicht passieren. Der aus Kringes Missgeschick resultierende Freistoß hatte zur Folge, was sämtliche Berliner später als unverzeihlich geißelten. „Wir haben bei Standards eine feste Zuordnung, da kann es nicht sein, dass ein Gegenspieler völlig frei an den Ball kommt“, monierte Kapitän Arne Friedrich. Claudio Pizarro aber erfreute sich in denkbar guter Position ungewohnter Freiheit und drückte den Ball aus zehn Metern über die Linie. Beinahe hätte Drobny auch diesen Ball noch pariert, es hätte niemanden überrascht angesichts der Großtaten, die der Berliner Torhüters an diesem Abend vollbracht hatte.

Wer nun verantwortlich war für den unverantwortlichen Stellungsfehler, darüber mochte niemand aus der Berliner Delegation Auskunft geben. Doch wer Augen hat zu sehen, dem wird nicht entgangen sein, dass der Brasilianer Cicero zunächst neben Pizarro wachte, sich im entscheidenden Augenblick aber nach vorn orientierte und seinen Gegenspieler aus den Augen verlor. Es war ein tragisches Ende einer ansonsten guten Partie des Mittelfeldmannes. Cicero war eine der großen Enttäuschungen der Hinrunde, aber mit jedem Spiel in der Rückrunde nähert er sich ein Stückweit der Form, in der er mit Hertha in der vergangenen Saison beinahe die Meisterschaft gefeiert hätte. Allein, der Qualitätssprung könnte zu spät kommen. Für Herthas Ambitionen in der Bundesliga und für die von Cicero in Berlin. Sein Vertrag läuft aus, und die Option auf eine Verlängerung wird Hertha im Falle eines Abstiegs nicht in Anspruch nehmen.

Auch Jaroslav Drobny wird nicht in die Zweite Liga gehen. Über seine Vertragsverhandlungen mit Hertha sagt der Tscheche, dass er eigentlich nichts sagen möchte, mal abgesehen davon, „dass wir über die Erste Liga reden, und zwar nur über die Erste Liga“.

Da befindet er sich auf einer Wellenlänge mit Friedhelm Funkel. Der schenkte sich am Samstag das Training, aber dies keinesfalls aus Pflichtvergessenheit. Funkel spähte am Samstag den SC Freiburg aus, am Sonntag reist er zu Mainz 05. Es sind dies die nächsten beiden Berliner Gegner. Solche Aufgaben delegieren Cheftrainer gern an ihre Assistenten oder Scouts, aber dafür ist die Lage in Berlin zu ernst. „Am Samstag gegen Mainz müssen wir unbedingt gewinnen“, sagt Funkel. Dass sie bei Hertha andernfalls über eine mögliche Zukunft in Liga zwei reden würde, ist eher unwahrscheinlich. Stellvertretend für seine Kollegen sagt der Fabian Schweizer Lustenberger: „Das ist bei uns erst dann ein Thema, wenn es rechnerisch gar nicht mehr anders geht.“

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