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Sport: Nanu, ein Deutscher!

Alois Vogl gewinnt überraschend den alpinen Slalom in Wengen

Wengen/Berlin Ivica Kostelic ging in die Knie, dann platzierte er mit beiden Händen Alois Vogl auf seine Schultern. Er sah etwas schwerfällig aus dabei, der Kroate, er steckte noch in seinen klobigen Skistiefeln. Dann stemmte Kostelic sich und Vogl in die Höhe und schrie den Zuschauern im Zielraum von Wengen begeistert zu: „Der Alois ist der Sieger.“ Der Alois hockte gut einen Meter über dem Schnee und war sich noch gar nicht sicher, dass er gerade den Spezialslalom von Wengen gewonnen hatte. Noch war der eigentlich Erstplatzierte, der Italiener Giorgio Rocca, nicht disqualifiziert worden. Rocca hatte im zweiten Lauf einen Torfehler gemacht, aber das war nur in der Videoaufzeichnung zu erkennen, deshalb mussten alle so lange warten.

Dann aber war es amtlich, Rocca disqualifiziert, und Alois Vogl schloss auf Kostelics Schultern die Augen, legte den Kopf in den Nacken und küsste dann seine Ski. Die Sensation war perfekt. Alois Vogl aus Zwiesel hatte einen Slalom gewonnen. Ein Deutscher! Das hatte es seit 1990 nicht mehr gegeben. Damals hatte Peter Roth am Mt. Hutt in Neuseeland gesiegt. Und Ivica Kostelic hatte gestern Platz zwei belegt. Der Slalom-Weltmeister von 2003 profitierte auch von Roccas Disqualifikation, aber er blieb hinter Vogl. „Dieser Sieg ist das Höchste“, sagte Vogl ergriffen. Es ist sein erster Weltcup-Sieg. Auch der deutsche Cheftrainer Werner Margreiter war fassungslos: „Wenn vor 18 Monaten jemand gesagt hätte, wir gewinnen den Slalom-Klassiker in Wengen, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Es ist unglaublich.“ Die meisten Experten hatten ihn doch eigentlich längst aufgegeben, diesen Alois Vogl. Bis vor drei Wochen jedenfalls, da überraschte Vogl, der 32-Jährige, mit Platz drei in Flachau. Das war damals schon ein Donnerschlag. Aber keiner wusste: Ein Ausrutscher nur oder der Beginn einer sehr späten Erfolgsgeschichte?

Die Tipps auf Ausrutscher dürften ziemlich zahlreich gewesen sein. Vogl war schließlich schon mal aus allen Kadern geflogen, die es im Deutschen Skiverband (DSV) gibt. Die Trainer hatten keine Lust mehr zu warten. Sie hatten lange auf gute Resultate gehofft, seit Vogl 1994 überraschend auf Platz zehn fuhr. Damals galt er als die Zukunft des deutschen Slalom. Aber sie hatten ihn falsch eingeschätzt, die Trainer, das gaben sie später zu. Sie hatten sein Phlegma unterschätzt, seinen mangelnden Trainingsfleiß. Er fuhr hinterher, er war satt. Das bekam irgendwann Sepp Hanser zu spüren, der deutsche Trainer. Der Zillertaler Hanser hatte Stefan Eberharter, den österreichischen Star, zu zwei WM-Titeln geführt. Aber beim DSV scheiterte er an Vogl und anderen Läufern. Die betrieben Hansers Ablösung, weil ihnen dessen Training zu hart war.

Vor drei Jahren kam Hanser als Trainer zurück zum DSV, und für Vogl hatte er eine wichtige Nachricht: „Ich machte ihm klar, dass Aufwand und Trennungszeit von der Familie gleich wären, also: Mach es hundertprozentig, dann kommt etwas raus dabei.“ Vogl zog mit, aber er hatte zu lange zu schlecht gearbeitet. Es ging alles nicht so schnell. Doch jetzt zeichnet sich ab: Flachau, Wengen, das sind keine Ausrutscher, auch wenn gestern Stars wie Bode Miller (USA) oder Kalle Palander (Finnland) ausschieden. Jetzt besitzt Vogl bei der WM sogar Medaillenchancen.

Die hat Hilde Gerg auch, nur ist das bei ihr keine Überraschung. Die Slalom-Olympiasiegerin wurde gestern in der Abfahrt von Cortina d’Ampezzo Dritte. Schneller waren nur die Österreicherinnen Michaela Dorfmeister und die Zweitplatzierte Renate Götschl. fmb

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