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Seit Beginn der EM kniet England vor jedem Spiel im Zuge der Black Lives-Matter-Bewegung nieder.

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Nationalelf will knien: Protest ja, aber bitte richtig!

Beim Spiel gegen England wird die deutsche Mannschaft niederknien. Dabei könnte die Fußballwelt auch ganz anders Protest ausdrücken. Ein Kommentar.

Berichten zufolge kniet die deutsche Mannschaft gemeinsam mit der Englischen im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung nieder. Deren Kapitän Harry Kane wird im Gegenzug eine Regenbogenbinde tragen, wie Manuel Neuer.

Jede Form von Diskriminierung ist eine Schande für eine Demokratie und offene Gesellschaft. Aber Protest im Sport ist aus mehreren Gründen problematisch.

Internationaler Sport kann nur unter Ausklammerung von Protest funktionieren, selbst wenn es um fundamentale Menschenrechte geht. Wie hätten sonst Steinzeitdiktaturen wie Nordkorea an der WM 2010 oder Saudi Arabien an der WM 2002 teilnehmen können?

Ebenso drängt sich die Frage auf: Wenn die Rechte von nicht-weißen und Homosexuellen der FA und dem DFB wichtig sind, warum treten sie dann in Katar an? Dort sind laut UN- Bericht afrikanische und südasiatische Arbeiter strukturellem Rassismus ausgesetzt und Homosexualität wird mit dem Gefängnis bestraft.

[Lesen Sie hier alle wichtigen Entwicklungen der EM im Tagesspiegel-Liveblog]

Einerseits Protest und Solidaritätsbekundungen im Stadion durchzuführen, aber gleichzeitig in einer Diktatur zu spielen, die ebenjene Rechte mit Füßen tritt, geht nicht zusammen. Wenn man also das Richtige täte und Menschenrechtverletzungen konsequent anprangerte, könnte Deutschland in großen Teilen der Welt nicht mehr antreten.

Daher muss Sport gänzlich ohne Protest stattfinden, oder man darf eben nicht in Katar antreten. Alles andere ist scheinheilig.

Manuel Neuer trägt seit Beginn der EM die Regenbogenbinde um den Arm.
Manuel Neuer trägt seit Beginn der EM die Regenbogenbinde um den Arm.

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Zweitens kann mit Recht die Frage gestellt werden, wieso man sich auf die oben genannten Gruppen beschränkt. Was ist mit dem Kampf gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma? Ein Zeichen hierzu von der Nationalelf wäre beim Spiel gegen Ungarn sehr angebracht gewesen, da dort Sinti und Roma systematischer rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind.

Ein Aufruf an die Mannschaft

So schrecklich es ist, es gibt sehr viele Gruppen die unter Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung leiden, besonders auch international. Wer entscheidet, für wessen Belange die deutsche Nationalmannschaft sich einsetzt?

Zuletzt wird gelegentlich argumentiert, dass die Fußballwelt nur so ihren Protest ausdrücken könne. Das ist falsch.

Nichts hindert Jogi Löw und seine Spieler daran, eine Demonstration anzumelden und Protestaktionen abseits des Platzes zu starten. Eine politische Demonstration mit der deutschen Nationalmannschaft in der Mitte, die gemeinsam mit tausenden Fans durch Berlin zöge hätte vermutlich eine enorm höhere Wirkung, als eine Regenbogenbinde oder das Knien vor einem Spiel. Aber es ist natürlich anstrengender.

Deswegen ein Aufruf an Jogi Löw und die Mannschaft - Protest ja, aber bitte richtig!

Sebastian Rauball

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