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Sport: Negative Energie

Nach Autogrammegeben war ihm offenbar nicht mehr zu Mute. Als die Schlusssirene ertönte, griff er sich seine Jacke und verließ fast fluchtartig die Halle.

Nach Autogrammegeben war ihm offenbar nicht mehr zu Mute. Als die Schlusssirene ertönte, griff er sich seine Jacke und verließ fast fluchtartig die Halle. Stefan Kretzschmar hatte gerade reichlich freudlose Minuten hinter sich. So wie 7500 Zuschauer in der fast ausverkauften Max-Schmeling-Halle. Die hatten gehofft, der SC Magdeburg würde auch ohne den wegen seines Jochbeinbruchs ausfallenden Kretzschmar die Slowenen von RK Celje in den Griff bekommen. Die Hoffnung trog. Magdeburgs Handballer verloren 29:31 (13:14) und stehen vor dem Aus in der Champions League. "Es sieht für uns sehr, sehr schlecht aus", meinte Trainer Alfred Gislason vor dem Viertelfinal-Rückspiel am kommenden Sonnabend.

Magdeburgs Sportpsychologin Heike Kugler erkannte, woran es lag: "Da war enorm viel negative Energie im Spiel. Die resignierende, ratlose Körpersprache sagte genug." Wohl vor allem bei Olafur Stefansson. Der Isländer, bei der letzten Europameisterschaft im All-Star-Team und in der Bundesliga erfolgreichster SCM-Schütze, warf in der 55. Minute sein erstes von nur zwei Toren. Seine klägliche Wurfausbeute: 22 Prozent. Da passte ins Bild, dass er einen Siebenmeter gegen den Pfosten und den Nachwurf an die Latte setzte. "Wer eine so starke Saison hat, über den kann man nicht einfach herfallen", nahm Gislason seinen Landsmann in Schutz. Was ihm nicht ganz so schwer fiel, weil Stefansson zumindest als Anspieler so schlecht nicht war.

Nach Lob stand Gislason jedoch nicht der Sinn. Das hätte Bennet Wiegert verdient gehabt. Der 20-jährige Schüler, Sohn des früheren DDR-Nationalspielers Ingolf Wiegert, machte seine Sache auf der Linksaußen-Position, wo sonst Kretzschmar spielt, gut. Sechs Würfe, fünf Tore - effektiver in der Wurfausbeute (83 Prozent) war kein Magdeburger. Auch nicht Guéric Kervadec, mit neun Toren am erfolgreichsten. Fünfmal trafen dessen Landsmann Joël Abati und der Jugoslawe Nenad Perunic. Letzterer war trotz seines Daumenbruchs dabei, vergab in der Schlussminute das mögliche Unentschieden. Gislason war ein fairer Verlierer: "Das hätte allerdings nicht dem Spielverlauf entsprochen. Celje war besser."

Mit seinen 205 Zentimetern überragte Perunic alle Slowenen um Längen. Doch die Körpergröße entschied diese Partie nicht. Fast ohne Schützen aus der zweiten Reihe, gab Celje während fast der gesamten zweiten Halbzeit den Ton an. Wie meinte die Sportpsychologin: "Man hat schon an der Körperhaltung deutlich gesehen, dass die Slowenen ein ganz anderes Selbstbewusstsein hatten." Wobei die Magdeburger mit ihren Fehlern alles taten, dieses Selbstbewusstsein noch mehr zu stärken. Celjes Trainer Josip Sojat süffisant: "Ich kann den Magdeburgern nur danken, dass sie uns so geholfen haben." Zeitweilig lag der Deutsche Meister, der vor der Pause wiederholt mit zwei Toren führte und dann immer wieder in Angriff und Abwehr erhebliche Schwächen offenbarte, mit vier Treffern im Rückstand. Beim 17:20 zeigte die Anzeigetafel, wohl von einem Mitleidigen bedient, kurzzeitig ein 18:18 an. Auch das wiederholte Austauschen des Balles durch die Schiedsrichter brachte die Magdeburger nicht auf den richtigen Weg. Es war nicht ihr Tag. Und in Celje, wo Kretzschmar auch nicht dabei sein kann, wird es voraussichtlich kaum anders sein.

Klaus Rocca

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