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Favre

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Neue Stärke: Die Emanzipation der Trainer

Felix Magath, Martin Jol, Christoph Daum: Die Wechselspiele der Bundesliga-Trainer zeugen vom neuen Selbstverständnis eines ganzen Berufsstands.

Je mehr Leute sich mit einer Rechenaufgabe beschäftigen, desto mehr verschiedene Ergebnisse kommen heraus. Drei Klubs aus der Fußball-Bundesliga haben offiziell noch keinen Trainer für die nächste Saison. So war es zumindest am Mittwochnachmittag, stündliche Veränderungen nicht ausgeschlossen. Es gibt aber auch Berechnungen, in denen von vier, fünf, sechs oder gar neun offenen Stellen die Rede ist.

Auf jeden Fall einen neuen Trainer brauchen noch der Hamburger SV, Eintracht Frankfurt und der 1. FC Köln. Rechnet man den Absteiger Energie Cottbus bis zum offiziellen Saisonende am 30. Juni als Bundesligisten, sind es vier Klubs, die auf der Suche sind. Hinzu kommt noch die Trennung, die als wahrscheinlich gilt: Bruno Labbadia wird wohl Bayer Leverkusen verlassen. Macht fünf, und wem das noch nicht reicht, der spekuliert wild. Der Bremer Pokalsieger Thomas Schaaf wird umworben, ebenso Herthas Trainer Lucien Favre (beide angeblich vom Hamburger SV) und Bochums Marcel Koller von mehreren Klubs. Schon dreht es sich, das beliebte Fahrgeschäft, und zwar in diesem Sommer fast genauso schnell und intensiv wie jenes mit den vielen Spielern drauf.

Diese Entwicklung liegt auch daran, dass einige Trainer ein anderes Selbstverständnis an sich und ihren Beruf an den Tag legen als zuvor. Als normal erscheint noch der Wechsel von Christoph Daum, der von dem ihm eng verbundenen 1. FC Köln zu dem ihm eng verbundenen Klub Fenerbahce Istanbul geht, wo er viel mehr Geld verdient und auch im internationalen Geschäft dabei ist. Auch dass Hans Meyer bei Borussia Mönchengladbach ein Jahr vor dem Vertragsende aufhört und in Rente geht, kam nicht unerwartet.

Überraschend hingegen war der plötzliche Abgang von Martin Jol, der es vorzieht, bei Ajax Amsterdam Trainer und Sportdirektor in einer Person zu sein statt beim HSV nur Trainer. Ein Selbstbewusstsein, das auch Felix Magath hat, der mit Wolfsburg als Universalfunktionär Meister wurde und doch schon vorher seinen Wechsel nach Schalke bekannt gab. „Jetzt werden die Trainer selbstständiger, zeigen, dass sie Qualität haben, sich gewisse Dinge aussuchen können“, sagt Matthias Sammer. Der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes hatte in der Vergangenheit immer wieder eine Aufwertung des Berufs Fußballlehrer gefordert, jetzt aber befürchtet er sogar verheerende Auswirkungen der jüngsten Kündigungen. „Das, was jetzt passiert, trägt nicht zur Stärke und Autorität und Kontinuität auf der Trainerposition bei.“ Der Trainer soll, so hätte es Sammer gerne, immer auch ein Vorbild sein. Für Spieler und Berater sei aber nun „Tür und Tor geöffnet, sich nicht mehr moralisch an Vereinbarungen zu halten“.

Noch ist der Rollenwandel nicht so weit gediehen, dass Trainer ähnlich wie ihre guten Spieler in jedem Sommer mit diversen lukrativen Angeboten kokettieren. Dafür ist die Zahl der arbeitslosen und mutmaßlich befähigten Trainer zu hoch, auch wenn für alle offenen Posten derzeit immer nur der äußerst medientaugliche Mirko Slomka als erster Kandidat gehandelt wird.

Zudem hatten Daum, Magath und Jol eine neue Aufgabe vor Augen (und Daum und Magath eine Ausstiegsklausel in ihrem Vertrag), als sie kündigten. Bei Eintracht Frankfurt jedoch hörte Trainer Friedhelm Funkel auf, ohne ein neues Angebot zu haben, „in gegenseitigem Einvernehmen“. Bei Bojan Prasnikar, der nicht beim Absteiger Cottbus bleibt, ist hingegen klar, dass die Initiative vom Trainer ausging, Prasnikar verzichtet auf jegliche Forderung gegenüber dem Klub. Er hat noch keinen neuen Job.

Auch wenn jeder Einzelfall andere Bedingungen hat, lässt sich der Trend erkennen, dass die Trainer offensiver auftreten, als selbstbestimmte Marktakteure. So wie Bruno Labbadia, der trotz einer enttäuschender Saison und eines problematischen Verhältnisses zu seiner Mannschaft Vereinsverantwortliche und Spieler in einem Interview am Tag vor dem später verlorenene Pokalfinale harsch kritisierte. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war er noch Leverkusens Trainer. Wenn er es nicht mehr ist, steht er als einer da, der sein Ding durchzieht. Und dafür gibt es immer Interessenten.

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