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Sport: NFL Europe: Thunder lässt es krachen - nur, wer hört schon hin?

Sport hat einen unschätzbaren Vorteil: Erfolg ist messbar. Es gibt immer einen Gewinner und einen Verlierer.

Sport hat einen unschätzbaren Vorteil: Erfolg ist messbar. Es gibt immer einen Gewinner und einen Verlierer. Trotzdem ist Erfolg auch immer relativ und damit eine Sache der Auslegung. Nicht selten fühlen sich Verlierer als moralische Sieger und deklarieren Leistungen zum Erfolg, der eigentlich keiner ist. Und dann gibt es da noch den totalen Realitätsverlust. Da werden in der Euphorie guter Leistungen die Rahmenbedingungen schöngeredet, die nicht einmal den eigenen Erwartungen entsprechen. Bei Berlin Thunder ist das ähnlich.

Nach dem 27:19 (7:10, 3:0, 7:3, 10:6)-Heimsieg gegen die Scottish Claymores steht Thunder in der europäischen Footballliga inzwischen auf Platz zwei und befindet sich im sportlichen Höhenrausch. Das Team, das in den ersten beiden Jahren seines Bestehens jeweils Letzter in der NFL Europe wurde, ist auf dem besten Weg, in das europäische Endspiel am 30. Juni in Amsterdam einzuziehen. Selbst wenn der World Bowl nicht erreicht wird, steht ein sportlicher Erfolg schon fest: Thunder kann auf keinen Fall Letzter werden. Vier Siege, drei Niederlagen bei noch drei ausstehenden Spielen: Schlusslicht Frankfurt Galaxy kann nicht mehr an Thunder vorbeiziehen.

Obwohl die sportlichen Leistungen in dieser Saison außergewöhnlich sind, stimmt der Rahmen bei Thunder nicht. Am Sonnabend wollten erneut nur 9000 Zuschauer das Spiel zweier direkter Kandidaten für den World Bowl verfolgen. Das ist nicht gerade wenig angesichts der zahlreichen Konkurrenz in Berlin. Wenn allerdings das selbst gesetzte Ziel des General Managers von Berlin Thunder, Michael Lang, zum Maßstab genommen wird, dann ist die Führungscrew von Thunder weit vom Ziel entfernt.

Im Erfolgsfall lassen sich schlechte Rahmenbedingungen schönreden, wie Cheftrainer Peter Vass beweist. "Das war ein wichtiger Sieg. Doch was mich am meisten gefreut hat, dass bei diesem lausigen Wetter fast 9000 Fans gekommen sind, die uns fantastisch unterstützt haben", sagt der Headcoach von Berlin Thunder. 12 000 Zuschauer wollte Michael Lang schon in der ersten Saison ins Jahnstadion locken, wenigstens fünfstellig sollte es in diesem Jahr werden. In der ersten Saison kamen durchschnittlich 9500 Zuschauer zu den Footballspielen, in der zweiten sogar noch weniger. Und auch in diesem Jahr spricht nicht viel für das erwartete Ergebnis. Dabei leisten die Spieler von Thunder durchaus sehenswerte Arbeit. Vor allem Quarterback Jonathan Quinn unterstrich gegen die Claymores mit exzellenten Würfen, dass er zu den besten Spielmachern der Liga gehört. Sein Pass über 56 Yard auf Running Back Madre Hill führte schon nach zwei Minuten im Anfangsviertel zum ersten zählbaren Erfolg des Spiels. Nach der Halbzeitpause gelang Hill mit einem Lauf über 34 Yard noch ein zweiter Touchdown zur 16:10-Führung. Ein weiterer Touchdown glückte Dwaune Jones, und Kicker Scott Bentley sorgte für die beiden übrigen Fieldgoals. "Das war angesichts des Wetters ein sehr gutes Football-Spiel mit wenigen Ballverlusten. Berlin hat mit einigen starken Spielzügen den Unterschied gemacht," lobte der schottische Coach Gene Dahlquist die gute Berliner Mischung aus Lauf- und Pass-Spiel. Leider haben das nicht ganz so viele gesehen.

Ingo Wolff

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