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Sport: Nowitzki lässt die Kollegen siegen

Der Deutsche enttäuscht, dennoch gewinnen die Dallas Mavericks das erste NBA-Finale gegen Miami

Wo ist David Hasselhoff, wenn man ihn braucht? Vor ein paar Wochen, schon tief in den NBA-Playoffs, verriet Dallas’ deutscher Flügelspieler Dirk Nowitzki, was er tut, um in entscheidenden Momenten an der Freiwurflinie seine Nerven zu beruhigen. Singen. Oder besser gesagt: summen. „Looking for Freedom“ etwa, ein Liedchen des „Baywatch“-Stars Hasselhoff, oder „Mr.Jones“ von den Counting Crows. „Was immer mir in den Sinn kommt“, hat Nowitzki mal gesagt. „Ich tippe den Ball dreimal auf, dann summe ich, und dann werfe ich. Das hilft meiner Konzentration, so kann ich mich aus der Halle hinaussingen.“ Gegen die Miami Heat waren offenbar weder Hasselhoff noch Mr. Jones zugegen, dabei hätte Nowitzki dringend etwas gebrauchen können, um seine Nerven in den Griff zu bekommen.

Mit einer rabenschwarzen Vorstellung startete der Dallas-Star in die Finalserie, von 14 Würfen aus dem Feld traf er lediglich vier (16 Punkte insgesamt). Im entscheidenden vierten Viertel traf er den Korb nicht ein einziges Mal. Dass es für die gastgebenden Texaner im ersten Aufeinandertreffen der Serie „Best of seven“ dennoch Donnerstagnacht für einen 90:80-Erfolg reichte, grenzt fast an ein Wunder. „Wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass Josh Howard und ich gemeinsam nur sieben von 28 Würfen treffen und wir trotzdem gewinnen, hätte ich ihm nicht geglaubt“, bekannte Nowitzki hernach.

Gegen die unablässige und hautnahe Bewachung durch Udonis Haslem und James Posey habe er nie seinen Rhythmus gefunden, sagte er. Zudem zitterten ihm unter den Augen der Fans in der ausverkauften Arena und vor Millionen von Fernsehern weltweit auf einmal Wurfhand und Knie: „Ich war wie steifgefroren.“ Noch vor einem Jahr wären die Mavericks mit einer solchen Vorstellung ihres Stars und ihres zweitwichtigsten Angreifers Howard untergegangen, doch unter Avery Johnson ist alles anders. Der Trainer, der den Job kurz vor Ende der vergangenen Spielzeit von Don Nelson übernommen hatte, hat dem in der Liga als „weich“ verhöhnten Team ungeahnte Härte eingeimpft.

In der nervenaufreibenden Serie gegen den Vorjahresmeister San Antonio Spurs haben sie das bewiesen und danach im Conference-Finale gegen die Phoenix Suns: Vom Gegner geschubst, schubsten sie einfach zurück. Miamis bulliger Center Shaquille O’Neal verpasste Nowitzki gleich in den ersten Minuten einen heftigen Ellbogencheck direkt ans Kinn. Doch er erreichte damit nichts anderes, als dass der fortan seine Verteidigungsanstrengungen vervielfachte. Später im Spiel fügte O’Neal Dallas-Flügelmann Jerry Stackhouse eine blutige Nasenwunde zu, aber sorgsam verpflastert rannte Stackhouse nur weiter auf den Korb der Heat an.

Ein Viertel brauchten die Mavericks, um sich an die Finalluft zu gewöhnen, derweil spielten O’Neal und Dwayne Wade Katz und Maus mit ihnen. Was zwölf Minuten lang scheinbar nach Belieben funktionierte, fand sein abruptes Ende, als Dallas sich auf seine ebenfalls unter Johnson gefundene Defensivstärke besann. Außerdem übernahm im Angriff einer die Verantwortung, der sich bislang in den Play-offs unter Wert verkauft hatte. Flügelspieler Jason Terry, Spitzname Jet, setzte zum Höhenflug an und landete erst wieder, als er 32 Punkte gesammelt und die Heat fast im Alleingang besiegt hatte.

„Ich habe versucht, unsere Langen ins Spiel zu bringen, aber als das nicht funktionierte, habe ich es eben alleine gemacht“, bekannte Terry. Angstfrei schlängelte sich der schmächtige Mann durch die bulligen Verteidigungsreihen und leistete sich nur einen groben Fehler. Im letzten Viertel stürmte er unbedrängt auf den Korb zu, konnte sich aber nicht zwischen Korbleger oder Dunk entscheiden, setzte den Ball daneben und flog in die Zuschauerreihen. Das war der Startpunkt für einen kurzen Zwischenspurt des Gegners, dem allerdings bald wieder die Luft ausging. Am Ende erzielte Miami gerade zwölf Pünktchen im letzten Spielabschnitt.

Von Dallas’ Defensive gefordert, sah Miami plötzlich müde, langsam und ratlos aus. „Terry hat hervorragend gespielt, aber wir hatten trotzdem eine Menge Chancen“, sagte O’Neal, „wir haben viele mentale Fehler gemacht.“ Dabei ging er mit schlechtem Beispiel voran, als er sich bei seinen Freiwürfen blamierte und nur einen von neun Versuchen traf. Neben ihm schaffte es nur noch Wade, zur Freiwurflinie zu kommen, mit sechs Treffern bei zehn Versuchen glänzte auch er nicht gerade. „Unsere Freiwürfe waren unterirdisch“, bekannte Heat-Coach Pat Riley, der eine energische Rückkehr seines Teams versprach: „Es wird nicht schön, es wird ein harter, schmutziger Kampf, aber so ist das nun mal im Finale.“

Mavericks-Besitzer Mark Cuban übrigens ging der erste Endspielauftritt in der Geschichte seines Klubs so an die Nerven, dass er zwischenzeitlich ganz vergaß, seinen Weblog von der Tribüne aus zu füttern. Als es schließlich vorbei und das Spiel gewonnen war, fragte er sich: „Wie kommt’s, dass wir vorne sind? Wir haben überhaupt nicht gut gespielt.“ Wenig später, als sich sein Blutdruck wieder normalisiert hatte, warnte er: „Es fühlt sich klasse an, zu gewinnen, aber es ist nur der erste Zug in einem Schachspiel.“ Ein Schachspiel mit reichlich Körpereinsatz.

„Es war nicht gut anzusehen“, bekannte Coach Johnson, „aber wir sind froh, dass wir ein Spiel an unserem Gürtel haben.“ Bezogen auf seinen Star versprach er für die zweite Begegnung am Sonntag ebenfalls in Dallas: „Wir haben heute nicht den wirklichen Nowitzki gesehen.“ Wenn die bisherigen Play-offs als Indiz dienen, wird er Recht behalten. Sein schwächstes Spiel lieferte Nowitzki bislang gegen die Phoenix Suns mit 14 Punkten in Partie vier. In der nächsten erzielte er 50. Mit der richtigen Musik im Ohr natürlich.

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