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Sport: Ohne Maske

Deutschlands Handball-Hoffnung Holger Glandorf will heute im WM-Halbfinale gegen Frankreich glänzen

Vor einem Monat schien die Handball-WM für Holger Glandorf beendet. Im Spiel gegen Lemgo hatte er sich Brüche in der Augen- und Stirnhöhle sowie des Jochbeins zugezogen. „Doch bei mir hat der Zweifel nur zwei Tage gedauert, dann habe ich um meinen Platz im WM-Team gekämpft“, sagt der 23 Jahre alte Profi von der HSG Nordhorn. Fortan stürzte er sich mit einem speziell angefertigten Gesichtsschutz ins Training. „Jetzt schaue ich nur nach vorn.“

Vorne wartet am heutigen Donnerstag in der Kölnarena (17.30 Uhr, live im ZDF) das WM-Halbfinale gegen Frankreich. Holger Glandorf hat nur ein Ziel: „Ich will am Sonntag das WM-Finale bestreiten.“ Als große Unterstützung empfindet er, wie die Handballer von Spiel zu Spiel in der öffentlichen Wahrnehmung gestiegen sind. Das 27:25 im Viertelfinale gegen Spanien sahen bis zu 11,59 Millionen Fernsehzuschauer.

Spätestens in diesem Spiel hat Holger Glandorf seinen Durchbruch im Team von Heiner Brand geschafft. Nicht nur wegen der fünf Tore, sondern weil er auf der halbrechten Position Christian Zeitz inzwischen gleichwertig ersetzen kann. „Das sind aber zwei völlig unterschiedliche Typen“, erklärt Brand. Zeitz ist ein introvertierter Handballer mit teilweise genialen Aktionen, der andererseits mit leichten Fehlern jeden Trainer ärgert. Glandorf bringt Wucht in jedes Angriffsspiel, agiert aber wenig risikobereit. In der Öffentlichkeit ist Glandorf wohl der am meisten unterschätzte Nationalspieler. „Ich mag auch den großen Trubel um mich nicht so sehr, ich bin eher ein bodenständiger Typ“, sagt er. Dabei könnte es nach der WM noch turbulenter für ihn werden. Sein Berater hat signalisiert, dass es Angebote anderer Vereine gibt. Doch Glandorf sagt: „Ich würde nur sehr ungern die Beschaulichkeit in Nordhorn verlassen.“ Sein Vertrag läuft noch bis 2008. Seit 1999 spielt er für Nordhorn in der Bundesliga, seine erste Station in der Jugend war Osnabrück. Auf diesem Weg hat es Glandorf auch auf 56 Länderspiele und 148 Tore gebracht.

Den vielfach geäußerten Unmut darüber, dass sich die jungen Spieler in der Bundesliga nicht entwickeln können, möchte er nicht ganz bestätigen. „Bei uns in Nordhorn habe ich sehr viel von den Schweden gelernt“, sagt er. Glandorf gibt aber auch zu, dass er nur wegen Verletzungen der Stammspieler öfter zum Einsatz kam. In den Bundesliga-Spitzenklubs Flensburg, Kiel oder Gummersbach entwickeln sich die Talente nicht so schnell. Deshalb ist Glandorf auch nicht repräsentativ für die Nachwuchsarbeit der Bundesliga. Trainer Brand sagte nach dem Viertelfinalsieg: „Ich hoffe, dass jetzt alle sehen, welche Möglichkeiten es im Handball gibt.“ Brand setzt sich schon länger für eine Ausländerbeschränkung in den Bundesliga-Vereinen ein. Doch der Gummersbacher war im Dezember mit einem Antrag gescheitert, zwei Deutsche pro Team vorzuschreiben. Weil das mit EU-Recht nicht vereinbar wäre.

Umso erstaunlicher ist, dass sein Team bei dieser WM so überragend spielt. Jetzt zahlt sich aus, dass der Trainer seit Olympia 2004 wegen des anhaltenden Verletzungspechs vor jedem Titelkampf improvisieren musste. Dabei entdeckte er Spieler wie Glandorf. Vielleicht wäre der noch weiter, wenn er nicht wegen einer Verletzung für die EM 2006 ausgefallen wäre. „Mich interessiert das heute nicht mehr“, sagt Glandorf, „ich bin nur noch auf das Halbfinale fixiert.“ Nicht einmal die Maske hat er zur WM mitgenommen. Dass er hart im Nehmen ist, muss er allerdings nicht mehr beweisen.

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