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Marco Koch.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Olympia 2016 in Rio: Marco Koch: einsamer Pinguin

In Deutschland wird das einst so populäre Schwimmen oft nur noch als Randsport wahrgenommen. Marco Koch will das ändern, Olympisches Gold könnte ihm dabei helfen.

Nur weil man einen Weltmeistertitel gewonnen hat, ist man noch lange kein Star. Nicht im deutschen Schwimmen und erst recht nicht, wenn man Marco Koch heißt. Bei den deutschen Meisterschaften Anfang Mai in Berlin gab es eine Autogrammstunde mit dem derzeit erfolgreichsten deutschen Schwimmer, der Andrang im Foyer der Halle an der Landsberger Allee war aber sehr überschaubar.

Koch kritzelte seinen Namen auf ein paar T-Shirts, posierte kurz für Fotos und hatte dann auch schon wieder seine Ruhe, dabei mussten alle Besucher der Meisterschaft auf dem Weg zu ihren Sitzplätzen an ihm vorbei. Die meisten Autogrammjäger schienen ohnehin persönliche Bekannte des 26-Jährigen zu sein. Auf der Straße erkennt Marco Koch aber wohl kaum jemand. Dabei ist der Darmstädter bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro die größte Medaillenhoffnung in der olympischen Kernsportart Schwimmen.

Zuletzt brachte er eine Millionenprämie für Olympiagold ins Spiel

Die geringe Prominenz mag an Marco Kochs unaufgeregter und unglamouröser Art liegen, und daran, dass das einst so populäre Schwimmen in Deutschland mittlerweile nur noch als Randsportart wahrgenommen wird. Diesen Fakt und die Dominanz des Fußballs beklagt auch Koch, der sonst eher ein stiller Sportler ist, immer mal wieder, zuletzt brachte er eine Millionenprämie für Olympisches Gold ins Spiel.

Die wird es in Rio nicht geben und darüber hinaus auch nicht, ein Olympiasieg in Brasilien wird in Deutschland mit 20 000 Euro belohnt. Reich wird Marco Koch also nicht werden, sollte er im Olympic Aquatic Stadium triumphieren. Ein wenig mehr Einnahmen und Prominenz könnte er mit Gold über 200 Meter Brust aber schon gewinnen. Am heutigen Dienstag stehen für ihn zunächst der Vorlauf (ca. 18.45 Uhr) und das Halbfinale (3 Uhr) an, im Endlauf in der Nacht zu Donnerstag soll es dann mit dem Olympiasieg klappen.

Für dieses Ziel geht der Student der Wirtschaftspsychologie schon seit Jahren seinen eigenen Weg. Im Gegensatz zu allen anderen deutschen Spitzenschwimmern ist er nicht Teil einer Trainingsgruppe, sondern arbeitet allein mit seinem Trainer Alexander Kreisel. Das Darmstädter Nordbad teilt er sich dabei nicht mit anderen Leistungssportlern, sondern mit Rentnern, Schulklassen und anderen Badegästen. „Wenn man aus Darmstadt kommt, kommt man überall zurecht“, lautet Kochs lapidare Standardaussage zu seinen Trainingsbedingungen.

Koch nimmt fast jede Weltcup-Station mit

Auch seine Wettkampfsaison ist für deutsche Verhältnisse außergewöhnlich: Koch nimmt fast jede Weltcup-Station mit. Das bedeutet für ihn strapaziöse Reisen bei guten Leistungen, bisweilen aber auch ansehnliche Einnahmen. Auch an der EM in London Ende Mai nahm Koch teil, um den Olympia-Wettkampf mit Vorlauf, Halbfinale und Endlauf zu simulieren. Er wurde Zweiter, die meisten anderen deutschen Schwimmer zogen es vor, sich ganz aufs Training zu konzentrieren.

Erst am Samstag reiste er in Rio an, mehrere Tage nach seinen Mannschaftskameraden. Probleme, sich an den vom deutschen Trainerstab vorgegeben Tagesrhythmus und die Ruhezeiten zu gewöhnen, hatte er nicht. „Er ist gesegnet mit einem tiefen, festen Schlaf“, sagte Chef-Bundestrainer Henning Lambertz. „Aber er will jetzt endlich los, irgendwann kann man die Vorspannung gar nicht mehr aushalten.“ In London vor vier Jahren war Koch nach einer frühen Anreise diese Spannung beim Warten auf seinen Wettkampf abhandengekommen, als Mitfavorit schied er im Halbfinale aus.

Aber Marco Koch ist lernwillig und experimentierfreudig. Wenn irgendetwas ihn zu beeinträchtigen scheint, dann ändert er es eben. Er lässt nichts unversucht, um das Maximum aus sich herauszuholen. Nachdem bei ihm mehrere Lebensmittelunverträglichkeiten festgestellt wurden, stellte er seine Ernährung um, seine seltsame Zauberformel lautet nun „vegan mit Fleisch“. Auch mit Hypnose hat er schon versucht, seine Leistungsfähigkeit zu steigern.

Einen Waschbrettbauch hat er nicht

Er verfügt aber auch über Qualitäten, die man kaum lernen kann. Im Vergleich zu vielen anderen Brustschwimmern ist er weniger bullig, einen Waschbrettbauch hat er aber auch nicht. Sein Trainer Alexander Kreisel attestiert ihm besonders „weiche Haut“ und „eine Art Pinguinform“. Schmeichelhaft klingt das nicht gerade, aber es trifft zu: Marco Koch kann im Wasser gleiten wie kaum jemand auf der Welt. Diese Eigenschaft ist beim technisch anspruchsvollen Brustschwimmen unerlässlich, Koch hat sie in den vergangenen Jahren perfektioniert.

Der Darmstädter betont auch immer wieder, dass es ihm weniger um Titel und Medaillen als um ein perfektes Rennen gehe. Ein solches muss er wahrscheinlich in Rio liefern: Marco Koch rechnet damit, dass man Weltrekord schwimmen muss, um Gold zu gewinnen. Sollte ihm das gelingen, wäre das noch so eine Sache, die ihn von den anderen deutschen Schwimmern unterscheidet. Und die Zahl der Autogrammjäger würde wohl auch wachsen.

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