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Quasi Quereinsteiger. Eisschnelllaufen war für Moritz Geisreiter als Kind nicht die erste Wahl – und ist bis heute nicht die einzige geblieben.

© dpa

Olympische Spiele in Pyeongchang: Wettkampf des Tages: 5000 Meter der Eisschnellläufer

Moritz Geisreiter hatte das Eisschnelllaufen eigentlich schon aufgegeben. Am Sonntag hat er über die 5000 Meter nun die Chance auf eine Medaille.

Dieses Mal lässt er sich nicht verrückt machen. Dieses Mal wird Moritz Geisreiter ruhig bleiben. Er kennt das ja schon, mit dem Olympischen Dorf und dem ganzen Drum und Dran. „Das hat mich das letzte Mal ziemlich geplättet“, sagt der Eisschnellläufer aus Inzell. Alles war aufregend, strahlte und glänzte. Am Ende war er vielleicht zu aufgekratzt, um das, was er vermochte, aufs Eis zu bringen. In Sotschi wurde er Achter (10 000 Meter) und Zehnter (5000). „Diesmal bin ich ruhiger.“ Der Wettkampf an sich ist ja derselbe wie sonst auch, nur eben mit anderem Etikett. Zweimal lautet es auf dem Eis von Gangneung Olympia – erstmalig an diesem Sonntag (12 Uhr MEZ) über die 5000 Meter. Eine Medaille ist durchaus möglich.

Denn Geisreiter ist nicht mehr Mitte zwanzig. Geisreiter ist inzwischen 30 Jahre alt und erfahren. Er hat gelernt, was ein gutes Maß ist an Anspannung. Wann es zu viel ist und wann zu wenig. Eine Taktik oder Technik braucht er dann nicht, um sich in der Kältekammer auf Betriebstemperatur zu bringen. „Meistens reicht es, sich das bewusst zu machen“, sagt er. Vertrauen auf das, was da ist: Salt Lake City hat ja gezeigt, dass es geht. Da stand Geisreiter über die 5000 auf dem Treppchen – zum ersten Mal in seiner Karriere im Weltcup.

Sport ist nicht alles im Leben von Moritz Geisreiter

Es scheint seine Saison zu sein. Gleich mehrfach verbesserte er seine persönliche Bestleistung. Auch die Erkältung um Neujahr überstand er. Zuletzt tankte er nochmal Kraft daheim. Im Januar ging es zum Radfahren auf Mallorca. Es ist eines der Hobbies, die neben dem Eisschnelllauf geblieben sind. Gitarre und Schlagzeug schob er irgendwann in die Ecke. Auch mit dem Skifahren war irgendwann Schluss. Rennen fuhr er bis zum Alter von 13 Jahren, auch gegen Josef Ferstl aus dem Alpin-Lager. Früher trainierten beide gemeinsam beim Papa Sepp. Aber Ausdauer war eben auf lange Sicht mehr das Ding vom langen Schlacks als Schnellkraft. Geisreiter ist heute zwei Meter groß. Was liegt da in Inzell näher, als aufs Eis zu gehen? „Der Name Anni Friesinger schwebt ja wie eine Glocke über der Stadt“, sagt Geisreiter. Also probierte er – und floppte. Überlastet, nur krank, so ging das nicht mehr.

Geisreiter packte die Koffer. Ein Schuljahr ging es nach Quebec. „Ich hab den Sport auf Eis gelegt.“ Als er zurückkam, sagte schon der Onkel, früher selbst Sprinter: Runden drehen aus Spaß, gewiss. Aber Leistungssport? Im Leben nicht mehr. „Dann hab ichs durchgezogen“, sagt er und lacht. Mit 17 wurde er noch mal Quereinsteiger. Erfolgreich, wie man inzwischen sieht.

Aber Sport ist nicht alles im Leben von Moritz Geisreiter. Er studiert auch mit Anspruch, International Management und Wirtschaftspsychologie. Als Doppelbelastung will er das nicht bezeichnen. Es verstärkt sich eher mit dem Sport, sagt er. Eine ungewöhnliche Aussage für Athleten, das weiß er selbst. „Viele sehen nur die Belastung. Aber mich motiviert es. Ich bin jedes Mal stolz, wenn ich ein neues Paper abgegeben habe – und dann noch eine gute Note bekomme.“ Es ist vor allem die Neugier, die ihn antreibt. Immer mal was Neues, das könnte sein Motto sein. Eisschnelllauf ist nur eines von vielen Projekten. Danach sollen noch andere kommen.

Bergzeitfahrten vielleicht, wieder mehr Ski fahren. Zuletzt kam er auf eine Handvoll Tage am Berg. Pro Jahr, wohlgemerkt. Das ist viel zu wenig, sagt er. Aber des Risikos wegen notwendig, solange er noch Spitzensport treibt. Auch im Beruf hat er schon Pläne. Geisreiter würde gerne im Kinder- und Jugendsport coachen – Orientierung geben für nach der Karriere. Er selbst hatte nur Fragebögen zum Ankreuzen. „Ich musste mir das mühsam suchen. Ich glaube, ich kann da viel weitergeben“, sagt er.

Noch hat Geisreiter sportliche Ziele. „Der dritte Platz wäre das Traumziel“, sagt er für Pyeongchang. Am besten mit dem zweiten Deutschen zusammen. Für den Erfurter Patrick Beckert, 27, sind es bereits die dritten Spiele. Auch er stand in diesem Winter schon zwei Mal auf dem Podest, als Zweiter und Dritter in Calgary und Salt Lake City. Und der frostige Grund liegt ihnen ja: Der Eismeister des Ovals am Ostmeer ist derselbe wie in Calgary. Dort liefen sie im Dezember deutschen Rekord. Warum also nicht eine schwarzrotgoldene Überraschung zwischen all den Oranje-Läufern? Deren Superstar Sven Kramer dürfte weltrekordnah auf Gold gesetzt sein. Aber dahinter ist eben noch Platz. Beckert und Geisreiter werden sich nicht verrückt machen lassen. Sie wissen ja, was sie können.

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