zum Hauptinhalt

Sport: Ozapft is

Viel Bier und Riesenbrez’n: Wie sich die eingeweihte Allianz-Arena für den Fan anfühlt

Vorsichtig schritt der Münchner Weihbischof durch die Eingangshalle der Allianz-Arena. „A bisserl kahl is’ das scho’“, sagte Franz Dietl und schaute auf die hohen, weiß gestrichenen Wände. Kein Bild war zu sehen, keine Pflanze und auch kein Teppich. Der Raum war so kühl und modern wie das gesamte neue Fußballstadion, dass Franz Dietl die späte Stunde zum Anlass nahm, sich ein paar traditionelle Dinge zu wünschen. „Na, hoffentlich stellen die hier noch Vitrinen rein und zeigen ihre Pokale.“

Da war es schon fast Mitternacht am Montagabend, kurz nach dem ersten Eröffnungsspiel in der Allianz-Arena. Zuvor hatte Franz Dietl Weihwasser auf den dunkelgrünen Rasen geträufelt und an die Fans ein paar warme Worte gerichtet. „Wie ein Wohnzimmer“ sei das neue Stadion, weil die Zuschauer so nah bei den Spielern sitzen. 3:2 hatten dann die „Blauen“ von 1860 München gegen den 1. FC Nürnberg gewonnen. Schauspieler und Sechziger-Fan Ottfried Fischer tönte via Lautsprecher, dass „wir die Arena alle zwei Wochen an die Bayern ausleihen. Aber, lieber Uli Hoeneß: Nix anfassen!“

Der Manager des FC Bayern München saß auf der Ehrentribüne und lächelte. Das mit dem Ausleihen, ja, das ist wohl eher anders herum. Für die „Blauen“ ist das Stadion eine Nummer zu groß; die Allianz-Arena, das ist die Liga des FC Bayern. Und deshalb ging die Eröffnungsparty im Betonpalast am Münchner Stadtrand am Dienstag gleich weiter. Die Bayern spielten kein Derby wie die Sechziger, sondern sie traten gegen die deutsche Nationalmannschaft an (das Spiel war nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe beendet). Wieder stauten sich am Abend Wagen viele Kilometer auf der Autobahn, wieder standen die Fans irritiert vor der leuchtenden Stadionfassade; diesmal vor der roten. Durchs Programm sollte Thomas Gottschalk führen, die Sänger Seal und Sarah Connor waren angekündigt und noch viel mehr prominente Gäste, die es doch eher zu den glamourösen Bayern hinzieht als zum Zweitligisten 1860 München.

Rund 340 Millionen Euro haben die beiden Klubs mit Hilfe von Sponsoren in das Stadion investiert, in 22 Jahren soll es abbezahlt sein. Und egal, wohin man kam an diesen zwei Eröffnungstagen, jeder Politiker und jeder Manager legte Wert auf den dezenten Hinweis, dass die Arena ohne Steuergelder finanziert wurde, anders als in Berlin. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber war gar „glücklich, dass München sein Olympiastadion nicht umgebaut hat, anders als die Berliner“. Da gab es kurz Beifall auf den Tribünen, was auffiel, weil Stoiber eigentlich Fan des FC Bayern ist und deshalb von den Sechzigern minutenlang ausgepfiffen wurde.

Von außen wirkt das Stadion beeindruckend, vor allem, wenn die Fassade mal blau, mal rot, mal weiß leuchtet. Die Fans pilgerten vom neuen U-Bahnhof über eine Parklandschaft hinauf zur Arena, was die „Bild“-Zeitung zu der Mutmaßung veranlasste, „da oben würde Jesus predigen“. Die 66 000 Zuschauer mussten ihr Ticket – so groß wie eine Kreditkarte – vor den Scanner eines Lesegeräts halten, dann sprang die Ampel neben den Drehkreuzen auf Grün, drin waren sie im Stadion. Im Bauch, auf Ebene Null, rollten die Limousinen der Politiker und Wirtschaftsbosse auf unterirdischen Straßen zum Parkhaus; insgesamt ein gigantisches Bauwerk, „nur der Müll stank zum Himmel“, schrieb die „AZ“. Gleich neben den Tribünen befinden sich die Hallen der Münchner Entsorgungs-Firma für Abfall.

Die Arena muss noch benutzt werden, dann schwindet auch das Gefühl der Kälte. Die Ästhetik erinnert ein wenig an die eines Rohbaus. An die Betonwände der Kioske wurde mit einer Schablone „Bratwurst + Getränke“ gesprüht. Modern soll das sein, wie auch der Name der Firma, die die Imbissbuden betreibt. „Arena One“ heißt die. An den Kiosken müssen die Fans zu ihrer Chipkarte greifen und diese vor ein Lesegerät halten. Sie lassen sich vorher ein Guthaben auf die Karte buchen, das dann abgezogen wird. Drei Euro kostet ein 0,4-Becher Bier, die „Riesenbrez’n“ ebenfalls. Die ist so groß wie die Radkappe eines Autos und hat in Bayern kein „l“.

Die Fans werden sich an die Akustik gewöhnen, vor allem daran, dass ihre Gesänge nun viel brachialer klingen als in den Weiten des alten Olympiastadions. Leider war es so, dass die Fans bei den Eröffnungsspielen so erstaunt über ihre Lautstärke waren, dass sie schnell verstummten. Ein bisschen Übung muss also noch sein, vielleicht steht deshalb am 2. Juni gleich das nächste Testspiel in der Allianz-Arena an. Ein Derby, 1860 München gegen den FC Bayern. Es ist eben die Zeit der großen Spiele im Münchner Norden. Der Alltag kommt später.

André Görke[München]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false