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Heinrich Popow verabschiedet sich nach seinem letzten Wettkampf vom Publikum.

© dpa

Para-Leichtathletik: Silberner Abschied für Heinrich Popow

Der Para-Leichtathlet beendet seine Karriere mit einer Medaille bei der EM in Berlin.

Von Benjamin Apitius

Als Heinrich Popow am frühen Dienstagabend bei den Europameisterschaften der Para-Leichtathleten auftritt, ist es sein letzter Wettkampf in der Weitsprunggrube. Sein linkes Bein mit der Prothesenfeder nach hinten gelehnt, legt er sein ganzes Gewicht über sein gesundes rechtes Bein. Dann zieht er seinen Oberkörper zurück, atmet tief ein, und schon setzt sich sein Körper schwungvoll in Bewegung. Rund 20 Schritte, dann hebt Heinrich Popow ab und seine Arme werden für einen winzigen Moment zu Flügeln. 6,24 Meter im dritten Versuch. Es wird sein weitester Sprung sein und reicht für die Silbermedaille.
„Das ist schon okay so“, sagt Popow anschließend und ringt mit den Tränen, für ihn sei es hier in Berlin gar nicht so sehr um einen letzten großen Triumph gegangen. „Diese sechs Sprünge stehen stellvertretend für die kompletten 18 Jahre meiner Karriere.“
Nach den ersten beiden Versuchen von Popow hatte die Kampfrichterin jeweils die rote Fahne gehoben und seine Versuche damit für ungültig erklärt. Der 35-Jährige tigert nun umher, wirkt unzufrieden. Dann brechen beim zweiten Versuch seines britischen Kollegen Luke Sinnott beide Prothesen. Popow eilt sofort herbei und bietet seine Ersatzfedern an. Es ist ein Wendepunkt in diesem Wettkampf, an dem die Anspannung aus Popow zu entweichen scheint. „Da habe ich gemerkt, dass das hier ein anderer Abend werden soll, als ich vorher vielleicht gedacht habe.“
Popow wirkt plötzlich gelöster, vor seinem dritten Versuch schlägt er sich mit den Händen auf die Wangen. Wach werden, jetzt gilt es. Die Kampfrichterin hebt endlich einmal die weiße Fahne, wenig später blinken auf der Anzeigetafel jene 6,24 Meter auf, die Edelmetall bedeuten. Popow huscht ein Lächeln über das Gesicht.

Daumen hoch

Als sein Konkurrent Daniel Wagner mit dem dritten Sprung auf 6,72 Meter kommt, hebt Popow anerkennend den Daumen und läuft zu seinem Kollegen herüber. „Ich habe ihm nur gesagt: Junge, Junge, jetzt spring hier aber nicht in Berlin neuen Weltrekord“, erzählt Popow, mit 6,77 Meter selbst amtierender Weltrekordhalter. Es soll zumindest der beste Versuch an diesem Abend bleiben und bringt dem Dänen den Europameistertitel. Für Popow ist das kein großes Drama. „Er ist ja erst 25. An diese Weiten komme ich in meinem Alter jetzt einfach nicht mehr heran.“ Heinrich Popow hat in seiner Karriere alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Er hat bei Welt- und Europameisterschaften ganz oben auf dem Podest gestanden. Seine Karriere krönte er bei den Paralympischen Spielen, als er 2012 in London über 100 Meter und vier Jahre später in Rio de Janeiro im Weitsprung die Goldmedaille gewann. An diesem Mittwoch startet nun sogleich der neue Lebensabschnitt von Popow. Seit mehreren Jahren schon engagiert er sich zusammen mit dem Prothesenhersteller Ottobock im Nachwuchsbereich. Bei dem gemeinsam initiierten Projekt „Running Clinics“ kommen bis Freitag in Berlin zwölf Beinamputierte aus zehn Ländern zusammen und stellen sich unter Popows Anleitung zum ersten Mal auf eine Sportprothese. „Ich will ab jetzt den Sport unterstützen“, sagt er zu seinem Engagement: „Und nicht mehr nur mich selbst.“ Als Heinrich Popow am Dienstag um 18.18 Uhr zum letzten Mal seine Flügel ausbreitet, erheben sich die Zuschauer von ihren Sitzen. Da kann auch die rote Fahne der Kampfrichterin die Gänsehaut nicht verhindern.

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