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Sport: Per Umleitung an die Spitze

Endlich ist Schalkes Trainer Rangnick da, wo er schon vor Jahren sein wollte

Wenn einem Oliver Kahn im Fußballstadion gegenübersteht, ist das selten eine angenehme Erfahrung. Ralf Rangnick erlebte am Sonntag eine Ausnahme. Der mehrfache Welttorhüter des Jahres reichte ihm die Hand und drückte sie länger als unbedingt notwendig. Eine Geste, die Kahns Respekt bekunden sollte. Und die zeigt: Nach dem 1:0 gegen den FC Bayern München am Sonntag ist Ralf Rangnick, der Trainer des FC Schalke 04, da angekommen, wo er schon immer hin wollte: ganz oben.

Der Weg an die Spitze schien früh vorgezeichnet. Vor sieben Jahren beim SSV Ulm, in der Zweiten Liga, galt Rangnick als Reformator des altdeutschen Fußballsystems: weg mit dem Libero, hin zur Viererkette, die in der Abwehr auf einer Linie spielt. Das Fachpublikum staunte. Wäre Rangnick nicht in Ulm, sondern bei einem berühmteren Verein gewesen – er wäre von manchen als Guru, als Erfinder moderner Fußballkunst betrachtet worden. Nach einem Auftritt am Taktiktisch im „Aktuellen Sportstudio“ wurde er zum „Fußballprofessor“ ernannt. Sein Aufstieg schien unaufhaltsam.

Doch in Stuttgart wurde er zunächst gestoppt. Anders als verabredet fand der Innovator eine leere Kasse und nur wenig Klasse vor. Der damalige VfB-Präsident Mayer-Vorfelder habe ihm versprochen, die Mannschaft zu verstärken, sagt Rangnick. „Aber dann wurden Leistungsträger wie Bobic und Verlaat abgegeben, weil der Verein sie sich nicht mehr leisten konnte.“ Der Weg Richtung Spitze endete in der Abstiegszone.

Der junge Rangnick war desillusioniert und musste einen Umweg über die Zweite Liga nehmen. Er stieg mit Hannover 96 in die Bundesliga auf, schaffte den Klassenverbleib im ersten Jahr, geriet in Abstiegsgefahr im zweiten und wurde entlassen. Sein modernes System hatte sich durchgesetzt, aber Rangnick saß entzaubert und arbeitslos in seinem schwäbischen Heimatort Backnang und wartete darauf, dass sich ein Klub bei ihm meldet.

Er musste warten, bis Jupp Heynckes in Schalke scheiterte. Manager Rudi Assauer wäre bei seiner Suche nach einem Nachfolger vermutlich nicht ohne weiteres auf Rangnick gekommen, hätte ihn nicht Schalkes Teammanager Andreas Müller, einst Spieler in Stuttgart, wärmstens empfohlen. Assauer behauptet heute, seine Vorstellungen seien von Anfang an „deckungsgleich mit Rangnicks Auffassung vom Fußball gewesen“. In Wirklichkeit, so heißt es, musste der Impresario schlucken. Assauer wird nachgesagt, er könne nur Männer als Trainer akzeptieren, die auch als Fußballspieler ein gewisses Format hatten – wie etwa Huub Stevens, Jupp Heynckes oder auch Frank Neubarth. Diese Anforderung vermochte der frühere Amateurspieler Rangnick nicht zu erfüllen. Aber er hat Erfolg. Unter Rangnick erreichte Schalke 47 von 57 möglichen Punkten in der Bundesliga und das Halbfinale im DFB-Pokal. Da sieht Assauer auch über Rangnicks durchschnittliches Fußballkönnen hinweg.

Mit der Tabellenführung hat Rangnick den vorläufigen Gipfel einer Karriere erreicht, die nicht so geradlinig verlaufen ist, wie es zunächst aussah. Rangnick nimmt das gelassen zur Kenntnis. „Das Spiel gegen Bayern war lediglich ein temporäres Highlight auf dem Weg, den Schalke in den nächsten Jahren sowieso beschreiten wird“, sagt er. Wohin der Weg führen soll? Aufwärts, natürlich.

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