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Sport: Perfektionisten unter sich

AUSGEBREMST Christian Hönicke über Schumacher, Fangio – und Lance Armstrong Ist er nun besser als Juan Manuel Fangio oder nicht? Jetzt, da Michael Schumacher ebenso wie der Argentinier fünffacher Formel-1-Weltmeister ist, wird er sich vor Vergleichen mit der Legende noch weniger verstecken können als vorher.

AUSGEBREMST

Christian Hönicke über Schumacher, Fangio – und Lance Armstrong

Ist er nun besser als Juan Manuel Fangio oder nicht? Jetzt, da Michael Schumacher ebenso wie der Argentinier fünffacher Formel-1-Weltmeister ist, wird er sich vor Vergleichen mit der Legende noch weniger verstecken können als vorher. Dabei ist klar, dass diese Frage nie erschöpfend beantwortet werden wird, weil zwischen den aktiven Zeiten der beiden Piloten fast ein halbes Jahrhundert liegt. Allerdings bietet sich ein Vergleich zu einem Zeitgenossen an.

„Vielleicht kann ich die zwanzig Sekunden Zeitgutschrift später noch brauchen“, hat der dreimalige Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong vor kurzem auf die Frage geantwortet, warum er seinem Teamkollegen Roberto Heras nicht den Etappensieg überlassen hatte. Es klang, als hätte er Michael Schumachers Worte zur Stallorder-Affäre von Österreich kurzerhand einfliegen und auf die Zielankunft am Tourmalet umschreiben lassen. Nachdem er auf Befehl des Teams seinen Kollegen Barrichello überholen musste, hatte Schumacher gesagt: „Vielleicht kann ich die Punkte später noch brauchen.“

Es ist nicht die einzige Parallele zwischen diesen beiden Ausnahmekönnern, die ihre Sportarten seit Jahren dominieren. Der an Wahn grenzende Hang zum Perfektionismus ist ihnen ebenso gemein wie ein fast fanatisches Sicherheitsdenken. Den fünfmaligen Toursieger Eddy Merckx nannten sie wegen seines Siegeshungers einst Kannibale. Bei Schumacher und Armstrong hat man immer den Eindruck, sie wollen nur gewinnen, um auch die letzten mathematischen Unwägbarkeiten auf dem Weg zum Titel auszuräumen. Nur, um dann fast überrascht eine weitere Trophäe in Empfang zu nehmen, mit einem Gesicht, das zu fragen scheint: Was, ich? Seid ihr sicher?

Dabei ist das nur die logische Konsequenz der völlig auf den Sport ausgerichteten Lebensweise, die manchmal an Selbstaufgabe erinnert. Trotzdem geben sich beide in ihrem Arbeitsumfeld so, als wären sie Sachbearbeiter und nicht Superstars. Denn wenn jemand von einem großartigen Team spricht, dem er dankbar ist und für das er voller Stolz fährt, dann heißt dieser Jemand garantiert Schumacher oder Armstrong. Es gibt kein Ich im Schumacher-Armstrong-Kosmos. Ihr Erfolg fußt zum großen Teil auf einem unvergleichlichen Teamgeist.

Dabei gehören beide unbestritten zu den größten Athleten, die jemals ihren Sport ausgeübt haben. Trotzdem wird ihnen bisweilen die Anerkennung verwehrt, die ihnen gebührt. Das liegt daran, dass sowohl Schumacher als auch Armstrong der ganz große Gegner fehlt. Wo Fangio einen Stirling Moss, Ayrton Senna einen Alain Prost oder Jacques Anquetil einen Raymond Poulidor hatten, fahren die beiden gegen David Coulthard und Joseba Beloki. Das sind zwar gute Fahrer, aber auch nicht mehr. Zumindest Schumacher wächst in Juan Pablo Montoya ein Gegner heran, der in Zukunft einmal für historische Duelle sorgen wird. Bei Lance Armstrong ist dieser Gegner noch nicht in Sicht. Aber er hatte mal einen, aus Deutschland. Doch ob der sich irgendwann einmal wieder auf den Strecken der Welt sehen lassen wird, ist ungewiss. Im Moment ist er jedenfalls mit anderen Dingen beschäftigt.

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