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Neuer Präsident, alte Strukturen. Auch unter Gianni Infantino gibt es immer wieder Skandale.

© imago/ITAR-TASS

Plädoyer gegen Funktionäre: Schafft die Fifa-Chefs ab!

Alles sollte besser werden bei der Fifa. Doch die Skandale hören nicht auf. Es ist an der Zeit, es ohne Präsident und Funktionäre zu versuchen.

Von Johannes Nedo

Diese Termine genießt Gianni Infantino. Derzeit läuft die noch viel zu wenig beachtete Weltmeisterschaft im Beachfußball – auf den Bahamas. Am Sonntag steht das Finale an, und vorher schaute der Fifa-Präsident natürlich vorbei. Er posierte in kurzen Hosen für Erinnerungsfotos mit der Schweizer Nationalmannschaft, und befragt zu seinen Eindrücken sagte er so unverfängliche Funktionärssätze wie: „Die Technik der Spieler ist der Wahnsinn.“

In dieser Rolle sieht sich der Schweizer am liebsten. Von einem Fußball-Ereignis zum nächsten in der Welt umherreisen, präsidiale Botschaften vortragen und sich zugleich volksnah und begeistert geben: Vor allem soll es dabei aber immer um den Fußball gehen, um das schöne Spiel – nicht um Skandale, Korruption und Schmiergelder.

Fifa für Fans ein Synonym für Mafia

All das will Infantino eigentlich auch von Dienstag an in Bahrain predigen. In der Hauptstadt Manama trifft sich zunächst der Fifa-Rat, das höchste Gremium des Fußballweltverbands, dem nun auch der DFB-Präsident Reinhard Grindel angehört. Besonders aber will er am Donnerstag das Mantra der überwundenen Affären auf der größten Bühne verkünden – beim Fifa-Kongress. Doch sosehr er sich darum bemühen wird: Daraus wird nichts. Denn vor wenigen Tagen kamen neue Korruptionsvorwürfe gegen einen der mächtigsten Funktionäre der Fifa auf: Scheich Ahmad al Sabah aus Kuwait. Er stritt alles ab – und trat dennoch flugs aus dem Fifa-Rat zurück.

Beachfußball-Fan Infantino nahm es zur Kenntnis, distanzierte sich jedoch nicht klar von al Sabah. Wieso sollte er auch? In dem etwas mehr als einem Jahr, das er mittlerweile im Amt des Fifa-Präsidenten ist, hat er sich als ein nach noch mehr Macht strebender Neo-Blatter hervorgetan. So ist die Fifa in den Augen der meisten Fußballfans immer noch ein Synonym für Mafia und dunkle Machenschaften. Immer wieder fordern sie deshalb, den Fußball ohne Funktionäre zu gestalten. Allerdings war es bisher so: Was die Fans dachten, war den Fifa-Bossen egal, weil das Geld durch Fernseh- und Sponsorenverträge im Überfluss vorhanden war. Das hat sich mittlerweile aber dramatisch geändert.

Im vergangenen Jahr machte die Fifa einen Verlust von 347 Millionen Euro, besonders wegen der hohen Kosten für die juristische Aufarbeitung der jüngsten Skandale. Für das Jahr 2017 soll der Verlust noch höher ausfallen. Zugleich sind dem Weltverband zahlreiche potente Sponsoren abhandengekommen. Und für die WM im nächsten Jahr in Russland sucht die Fifa noch händeringend Sponsoren, während ihr 2014 in Brasilien die Konzerne die Bude einrannten.

Präsidenten und Rat abschaffen

Da Geld aber die einzige Sprache ist, die Infantino und seine Kollegen verstehen, wäre es jetzt an der Zeit, wirklich etwas zu ändern: Infantino sollte sich dafür einsetzen, das Amt des Präsidenten abzuschaffen – und den Fifa-Rat gleich mit. An deren Stelle sollte dann eine neue Form der Verbandsführung treten. Das klingt zu radikal und unrealistisch? Nun, die Fifa muss etwas ändern, will sie groß im Spiel und im Geschäft bleiben. Und es muss ein radikaler Schritt her, der das Vertrauen der Fans zurückgewinnt, der Millionengehälter und hohe Aufwandsentschädigungen für Funktionäre spart und der Transparenz sowie die Mitbestimmung der Basis garantiert.

Auch müssen die Entscheidungen nicht in einem Fifa-Rat oder auf einem Fifa-Kongress getroffen werden, man kann doch einfach die Fußballfans weltweit darüber entscheiden lassen. Wie bei Crowdfunding-Aufrufen würden die Fans im Internet abstimmen, welche Projekte gefördert werden sollen: Kunstrasenplätze, Frauenfußball-Initiativen, Trainerschulungen – und vielleicht sogar auch Beachfußball. Mehr als 10,7 Millionen Follower hat die Fifa bei Twitter, es interessieren sich also einige Menschen für die Belange des Weltfußballs. Sie würden sich bestimmt gerne einbringen, wenn sie denn könnten.

Natürlich bräuchte man noch eine Administration, die diese Projekte dann umsetzt. Aber die würde wesentlich schlanker ausfallen als der aktuelle Fifa-Apparat – und würde dann mehr Menschen anziehen, die den Fußball wirklich voranbringen und ihn nicht nur ausnutzen. Organisationen wie Transparency International betonen, um Korruption zu vermeiden, braucht es ein System mit klaren Regeln, Kontrolleuren und Sanktionen. Ein System, in dem die Verantwortlichen regelmäßig die Position wechseln und in dem es Möglichkeiten für Whistleblower gibt, sicher Hinweise zu geben. Eine schlankere Fifa würde dies begünstigen.

Funktionäre handeln nicht zum Wohl der Athleten

Wer braucht einen Präsidenten und seine Trips zur Beachfußball-Weltmeisterschaft? Wer braucht Fifa-Funktionäre? Sie selbst geben vor, alles zu tun, um die Interessen des Fußballs zu vertreten – gegenüber der Politik, der Wirtschaft, den Medien und anderen Sportorganisationen. Es ist ja auch wichtig, dass es Menschen gibt, die sich für die Belange der Spieler, Trainer, Schiedsrichter und Fans einsetzen. Das können die Sportler ja nicht auch noch selbst nebenbei machen, wenn sie sich auf ihre Höchstleistungen konzentrieren sollen.

Im Idealfall arbeiten Funktionäre so: Sie sind unbestechlich und stehen in engem Kontakt und Austausch mit den Athleten und denen, die im Fußball wirken. Sie tragen deren Interessen bei denen vor, die Einfluss nehmen können auf die Rahmenbedingungen, die Infrastruktur und das gesellschaftliche Ansehen – etwa Regierungen oder staatliche Institutionen. Außerdem versuchen sie, die wirtschaftliche und gesundheitliche Situation der Fußballer zu verbessern. Indem sie Verträge mit Medienanstalten aushandeln, Sponsoren akquirieren und Wege zum Leben nach der aktiven Karriere aufzeigen.

Das große Problem ist nur: Weltweit handeln viele Funktionäre nicht zum Wohle der Athleten, sondern zum eigenen Vorteil. Warum müssen Fußballfunktionäre in Privatjets oder mit Business- Class-Flügen reisen und in Luxushotels wohnen, sobald sie für den Fußball unterwegs sind? Warum wandert das Geld lukrativer Verträge oft in hohe Funktionärsgehälter? Warum fühlen sich die Fußballer oft nicht wirklich vertreten von Funktionären? Von den Fans ganz zu schweigen.

Schlag gegen Korruption

Einer der ersten globalen Sportfunktionäre war Pierre de Coubertin. Der Franzose, der die Olympischen Spiele wiederbelebte und das Internationale Olympische Komitee (IOC) gründete, tat dies nicht, weil er sich die Taschen füllen wollte. Der Pädagoge war überzeugt davon, dass Sport eine grandiose Möglichkeit darstellt, um sich als Mensch weiterzuentwickeln und zu lernen. Und bei den Olympischen Spielen hatte er nicht die Sponsoren im Sinn, sondern den Gedanken des Friedens und der Verständigung, den die Athleten bei den gemeinsamen Wettbewerben erleben sollen.

Doch weil immer mehr Geld in den Sport floss, die Funktionäre über die Jahre immer skrupelloser wurden und sich von Coubertins Idealen immer weiter entfernten, ist etwa das Image der Fifa so ramponiert – trotz aller Beteuerungen von Infantino. Eine Fifa ohne Funktionäre wäre deshalb ein Befreiungsschlag für den Fußball. Ein Schlag gegen Korruption. Infantino würde die Fifa revolutionieren, die Welt würde ihm zu Füßen liegen. Und eigentlich ist es doch genau das, was er will.

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