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In die Spitze geführt. Matthew Stafford (rechts) steht für die neue Erfolgsgeneration der Detroit Lions. Der 23-Jährige warf in der abgelaufenen Spielzeit 41 Touchdown-Pässe und erzielte als vierter Quarterback überhaupt mehr als 5000 Yards in einer Saison. Foto: dpa

© REUTERS

Play-off-Start in der NFL: Detroit Lions: Lange genug verloren

Die Footballer der Detroit Lions bestreiten erstmals seit 1999 wieder ein Play-off-Spiel in der NFL - und machen damit eine ganze Stadt glücklich.

Detroit war schon immer eine Stadt der Superlative. Im US-Bundesstaat Michigan gab es die ersten individuellen Telefonnummern, die erste Meile geteerter Straße, die erste Ampel. Es sind Geschichten, die exemplarisch für amerikanischen Erfindergeist stehen, für eine Gesellschaft im Aufbruch – es sind Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Heute zählt die Stadt, in der einst fast zwei Millionen Menschen lebten, nur noch 700 000 Einwohner. So wie die Motor City als Symbol für die Wirtschafts-, Immobilien- und Automobilkrise in den USA steht, so waren die Footballer der Stadt, die Detroit Lions, viele Jahre das Synonym für grandiosen Misserfolg im amerikanischen Sport.

2008 brachten die Lions als erstes und bisher einziges Team in der National Football League (NFL) das Kunststück fertig, alle 16 Saisonspiele zu verlieren, von 2001 bis 2010 schloss der Klub keine Spielzeit mit einer positiven Bilanz ab. „Es war ein verlorenes Jahrzehnt für alle Football-Fans der Stadt“, sagt Mike O'Hara. Seit mehr als 30 Jahren begleitet der Journalist der „Detroit News“ die Lions nun schon. „Umso mehr freue ich mich darüber, dass die Negativserie endlich ein Ende hat, dass in der Stadt wieder Euphorie herrscht“, sagt O'Hara. In der Nacht zu Sonntag (2.00 Uhr/live bei Sport1+) bestreiten die Lions ihr erstes Play-off-Spiel seit 1999. Zum Auftakt der K.o.-Runde trifft die Mannschaft von Trainer Jim Schwartz auf den Super-Bowl-Sieger von 2010, die New Orleans Saints.

Zwar gelten die Lions vor dem Duell im Superdome von New Orleans als Außenseiter, doch allein das Erreichen der Play-offs darf nach einer Dekade schlechter Personalentscheidungen und zahlreicher Trainerwechsel als mittelschweres Wunder verbucht werden. Das Stichwort für den Erfolg lautet: Kontinuität. „Mannschaft und Trainer haben Zeit bekommen, um sich entwickeln zu können, um die Abstimmung zu verbessern“, sagt Mike O'Hara – in einem hochkomplexen Mannschaftssport, bei dem bisweilen 150-Kilo-Kolosse wie Schachfiguren über das Feld bewegt werden, ist das eine elementare Voraussetzung.

Zudem profitierten die Lions vom Draft-System in den USA, nach dem das schlechteste Team der Saison im Folgejahr als erstes talentierte Nachwuchsspieler vom College verpflichten darf. „Es ist ein ungeschriebenes Gesetz im US-Sport, dass man erst einige Jahre richtig schlecht sein muss, um ein gutes Team aufbauen zu können“, sagt Mike O'Hara. Auf diese Weise sicherten sich die Lions die Dienste zweier Spieler, denen die meisten Experten einen Platz in der Hall of Fame des Footballs vorhersagen: Quarterback Matthew Stafford (2009) und Wide Receiver Calvin Johnson (2007) stehen für spektakulären Offensiv-Football und gleichermaßen für einen Paradigmenwechsel in der liebsten Sportart der Amerikaner. „Die Zeiten, in denen die meisten Mannschaften auf harte Defensive und ein solides Laufspiel setzen, sind vorbei“, sagt Mike O'Hara. Offensive ist das neue Gütesiegel – auch, weil die Liga im Moment über so viele herausragende Quarterbacks verfügt wie vermutlich nie zuvor.

So ist es nicht nur der Erfolg an sich, sondern vor allem die offensive Spielweise, mit der die Lions endlich aus dem Schatten der anderen Teams der Stadt getreten sind. Detroit ist eine von zwölf Metropolregionen, die in jeder Major-League-Sportart über eine Mannschaft verfügt. Die Red Wings sind das Eishockey-Team überhaupt in den Staaten und ein stetiger Meisterschaftsanwärter, die Tigers (Baseball) erreichten in der aktuellen Spielzeit ebenfalls die Play-offs, lediglich die Pistons (Basketball) kämpfen nach erfolgreichen Jahren inklusive Meistertitel 2004 gegen die sportliche Bedeutungslosigkeit. „In Zeiten wirtschaftlicher Krisen sorgen die Sportmannschaften der Stadt dafür, dass es den Leuten ein bisschen besser geht, dass sie die Sorgen des Alltags für einen Moment vergessen können“, sagt Mike O'Hara. „Im Moment“, ergänzt der NFL-Experte, „kommt diese Rolle den Lions zu.“ Football ist und bleibt eben das Spiel der Amerikaner. „Darum sind wir auch besonders stolz darauf, wenn das Team aus der Heimatstadt um den Titel mitspielt.“ Und deshalb wird am Sonnabend auch halb Detroit vor dem Fernseher sitzen, die Daumen drücken und Chips in sich hineinstopfen. Nach offiziellen Angaben der Verwaltung ist die Motor City die Stadt mit dem welthöchsten Verzehr von Kartoffelchips. Noch so ein Superlativ.

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