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Starker Arm, große Hände. Philadelphias Quarterback Nick Foles, hier gegen die Dallas Cowboys, ist der große Gewinner der regulären Saison. Kein Spielmacher erzielte ein besseres Passer-Rating, dazu stellte der 24-Jährige den Rekord für Touchdowns in einem Spiel ein.

© dpa

Play-offs in der NFL: Der große Schatten von Westlake

Philadelphias Quarterback Nick Foles trifft in den Play-offs der National Football League auf New Orleans und Drew Brees – sein Vorbild aus Kindertagen.

Jedes Mal, wenn Nick Foles im Umkleideraum der Westlake High School in Austin saß, schaute er auf die Tafeln mit den Rekorden. Foles war zu dieser Zeit Quarterback der Schulmannschaft und ging es um Statistiken für Quarterbacks, wurden die Bestenlisten alle von einem gewissen Drew Brees angeführt. Foles motivierte das. Er wollte besser werden als der Mann, dem er als kleiner Junge von der Schultribüne aus zugejubelt hatte. Kein einfaches Vorhaben, hatte Brees die Westlake High School doch zum größten sportlichen Erfolg ihrer Geschichte geführt: dem Gewinn der texanischen Staatsmeisterschaft 1996. Foles war richtig gut, er brach sogar einige von Brees’ Rekorden. Die Meisterschaft konnte er aber nicht gewinnen. Brees blieb der Schulheld und Foles bekam schon mal einen Vorgeschmack auf den weiteren Verlauf seiner Karriere. Auch am College in Arizona war er gut, im Rampenlicht aber standen andere. Sein Jahrgang war so reich an talentierten Quarterbacks, dass sich kaum jemand für ihn interessierte. Beim Draft, der jährlichen Talentauswahl der National Football League (NFL), wurde Foles 2012 erst in der dritten Runde an Position 88 von den Philadelphia Eagles gezogen – sechs Spielmacher waren vor ihm dran.

Vier Teams dürften ihre Entscheidung inzwischen bereuen. Foles spielte mit 24 Jahren eine überragende Vorrunde, kein Quarterback erreichte ein derart hohes Rating (119) und im Spiel gegen die Oakland Raiders stellte er einen Fabel-Rekord ein: sieben Touchdown-Pässe in einem Spiel. Hätte Trainer Chip Kelly ihn nicht vorzeitig vom Feld genommen, Foles wäre wohl zum alleinigen Rekordhalter aufgestiegen. In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag kann er nun beweisen, dass er auch in den Play-offs nervenstark ist. Gleiches gilt für den Berliner Björn Werner, der im ersten Spiel der Wild-Card-Runde mit seinen Indianapolis Colts auf Kansas City (22.30 Uhr) trifft. Anschließend (2 Uhr) empfangen Foles und die Eagles die New Orleans Saints und: Drew Brees. Der ist inzwischen eine lebende Quarterback-Legende in der NFL, Super-Bowl-Sieger und Halter von diversen Rekorden. So wie früher in Austin. Es ist erst das erste Mal seit 1973, dass zwei Quarterbacks in den Play-offs gegeneinander spielen, die auf die selbe High School gingen.

Diese Konstellation hat Derek Long über Nacht zu einem der gefragtesten Football-Experten der USA gemacht. Seit Tagen klingelt bei ihm das Telefon, Reporter aus allen Teilen des Landes rufen an. Long trainierte 26 Jahre die Football-Mannschaft von Westlake, er war Defensive Coordinator zu Brees’ Zeiten und Chefcoach als Foles das Team anführte. „In Nick erkenne ich eine Menge von Drew“, sagt Long. Er wirkt euphorisch, über den Anruf aus Deutschland wundert er sich. „Man, das wird ja immer verrückter.“ Sekunden später verfällt er ins Fachsimpeln, wenn er mit breitem Texas-Dialekt über seine beiden ehemaligen Schüler spricht. „Diese Pocket-Präsenz! Beide treffen selbst unter Druck gute Entscheidungen“, sagt Long. Bei Brees sei er wegen dessen geringer Körpergröße von 1,81 Metern nicht sicher gewesen, ob der es in der NFL zu was bringen würde. Foles, 1,98 Meter groß und 110 Kilogramm schwer, hatte bessere Voraussetzungen. „Er hat Idealmaße und dazu einen starken Wurfarm.“

Foles größter Trumpf aber könnten seine Hände werden. Die sind riesengroß. Das ist wichtig, weil Philadelphia in einem offenen Stadion spielt und das Wetter im Winter an der Ostküste lausig sein kann. Für Samstagabend ist eisige Kälte angesagt. Je niedriger die Temperaturen, desto wichtiger wird die Handgröße des Quarterbacks, weil die ihm einen sicheren Griff auf den Ball ermöglicht. So hat Foles im Gegensatz zu Brees wenig Probleme mit den Elementen, wie beim Schneetreiben gegen Detroit zu sehen war. „Ich bin ein Südstaatenjunge und die Kälte nicht gewohnt. Dafür geht es bisher ganz gut, auch wenn ich weiter daran arbeiten muss“, sagte Foles dem „Philadelphia Inquirer“. Brees hat sieben von zehn Spielen verloren, wenn es sechs Grad oder kälter war. Er spielt sonst in New Orleans in einer überdachten Halle.

Das Wetter dürfte also mit Foles sein, etwas anderes könnte ihm dennoch zu schaffen machen. „Als Nick in Westlake spielte, kam Drew einmal zu einem Spiel. Er war damals schon ein Star in der NFL. Nick und die anderen waren ziemlich aufgeregt und achteten mehr auf Drew als auf die gegnerischen Verteidiger“, erzählt Derek Long. Das sollte Foles gegen New Orleans lassen, wenn er aus Brees’ Schatten treten will.

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