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Sport: Radsport: Jan der Zweite

Jan Ullrich stieg vom Podium herab und sagte trotzig: "Irgendwann gewinne ich hier." Der deutsche Radstar war beim Weltpokalrennen "Meisterschaft von Zürich" wieder Zweiter geworden - wie 1997, im Jahr seines Tour-Sieges, und im Vorjahr.

Jan Ullrich stieg vom Podium herab und sagte trotzig: "Irgendwann gewinne ich hier." Der deutsche Radstar war beim Weltpokalrennen "Meisterschaft von Zürich" wieder Zweiter geworden - wie 1997, im Jahr seines Tour-Sieges, und im Vorjahr. Im Spurt eines Spitzenquartetts war der Italiener Paolo Bettini schneller. Dritter wurde der Spanier Fernando Escartin vom deutschen Team Coast. Der Italiener Francesco Casagrande landete nach 248,4 km und 6:17:48 Stunden in brütender Hitze auf dem vierten Platz. Der Holländer Erik Dekker baute durch seinen fünften Rang die Führung im Weltpokal weiter aus.

"Jan muss sehen, dass er am Hinterrad von Bettini bleibt, des stärksten Sprinters", meinte Telekom-Sprecher Olaf Ludwig, als die vier Spitzenreiter die taktischen Spielchen auf den letzten tausend Metern eröffneten. Doch es kam genau umgekehrt: Der schlaue Italiener wich nicht vom Hinterrad des Deutschen Meisters. 200 Meter vor dem Ziel zog Escartin den Spurt an. Aus dem Windschatten Ullrichs flog Bettini vorbei und seinem zweiten Klassiker-Sieg nach Lüttich-Bastogne-Lüttich 2000 entgegen.

Ullrich, noch in großartiger Tour-Form und als erklärter Favorit gestartet, verhehlte seine Enttäuschung nach einer eindrucksvollen Leistung nicht: "Es soll anscheinend nicht sein, dass ich dieses für mich maßgeschneiderte Rennen gewinne. Aber ich komme eben alleine nicht weg." Am letzten Anstieg und auch später nochmals hatte er es versucht. "Zwei, drei können immer noch mitfahren, und im Sprint bin ich halt nicht der Stärkste. Schade, dass ich hier wieder nur Zweiter geworden bin." Der zweite Platz - das scheint sein Schicksal in dieser Saison, Zweiter bei der Tour, viermal Zweiter bei Tour-Etappen, Zweiter erst in der vergangenen Woche in der Copa Agostono.

"Das ist ein brutales Rennen, eines der schwersten im Weltpokal", hatte Udo Bölts am Start gesagt. Insgesamt 3588 Meter Höhendifferenz galt es zu überwinden. Der Pfannenstiel, eine sechs Kilometer lange Steigung von durchschnittlich 3,8 Prozent mit einer Rampe von 15 Prozent, machte den Kurs so anspruchsvoll. Was Bölts nicht hinderte, sich sofort aus dem Staub zu machen. Zusammen mit dem Polen Piotr Przydzial führte der Pfälzer 170 km lang, zeitweise mit einem maximalen Vorsprung von neun Minuten, ehe er von den Verfolgern eingeholt wurde. Der Nutzen des Fluchtunternehmens: Ullrich hatte nach der fünften der sechs Runden einen Helfer in der Spitzengruppe von 19 Fahrern, darunter alle Favoriten. Beim letzten Anstieg hängte Ullrich alle ab - bis auf die drei Finalisten.

Zu heiß für Armstrong

Ullrich hatte mit einer Revanche gegen Lance Armstrong gerechnet. Doch nach 40 Kilometern stieg der Tour-Sieger vom Rad. Dem Amerikaner war es bei 35 Grad selbst zur Spazierfahrt zu heiß. In bester Laune, aber nicht in bester Form war Armstrong zu seinem letzten Rennen der Saison in Europa erschienen. Nach der Jubeltour durch die USA war er "nur ein wenig gefahren, um die Beine daran zu erinnern, dass sie einem Rennfahrer gehören". Bei der Burgos-Rundfahrt vergangene Woche, seinem ersten Wettkampf seit dem Tour-Sieg, habe er "fürchterlich gelitten". "Heute werde ich wieder leiden und ein anderer wird gewinnen", verkündete er vergnügt in Zürich. "Von meiner Tourform bin ich weit entfernt. Wenn du Superform hast und dann nicht trainierst, stoppt der Körper. Es ist schwer, ihn neu zu starten. Wenn du dich monatelang nur auf ein Ziel konzentrierst und dann dieses Ziel erreicht hast, dann schaltet der Kopf ab." Aber Armstrong wollte wenigstens durchfahren. "Aber bei einem Rundstreckenrennen ist die Versuchung groß auszusteigen. Die Duschen sind direkt am Kurs."

Hartmut Scherzer

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