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Sport: Rasend angekommen

Beim Abfahrtssieg von Walchhofer in Wengen beweist Risikofahrer Miller als Dritter sein Ausnahmetalent

Als Bode Miller am Samstagmittag kurz vor halb zwei Uhr im Zielraum der Lauberhorn-Abfahrt in Wengen seine Skier abschnallte, war klar, dass er diesmal nicht gewonnen hatte. Trotzdem strahlte der US-Amerikaner, und er riss die rechte Hand zu einer Jubelpose in die Höhe. Zweiter war er zu diesem Zeitpunkt, läppische neun Hundertstelsekunden hinter dem Österreicher Christoph Gruber. Als das Rennen vorbei war, war Miller immerhin noch Dritter, hinter Gruber und gerade einmal 18 Hundertstelsekunden hinter dem Sieger, dem Abfahrts-Weltmeister Michael Walchhofer. Konkurrenten wie die Österreicher Hermann Maier und Werner Franz oder der Schweizer Bruno Kernen lagen aber deutlich hinter ihm, von den Deutschen Max Rauffer (Platz 27) und Florian Eckert (30.) gar nicht zu reden.

Und das bei der längsten, kraftraubendsten Männer-Abfahrt, die es im Weltcup gibt. Im Gegensatz zur Abfahrt in Gröden, die Rauffer gewann, und den Läufen in Bormio und Beaver Creek war die Abfahrt in Wengen keine so genannte Windlotterie, bei der durch die äußeren Bedingungen die Läufer mit niedrigen Startnummern bevorzugt waren. Wengen war also ein echter Maßstab. Einer von mehreren in diesen Tagen. Am nächsten Wochenende findet die klassische Abfahrt in Kitzbühel, die Streif, statt, dann folgt die WM in Bormio.

Miller konnte mit seinem Lauf also zu Recht zufrieden sein, schließlich hat er mit seinem dritten Platz in Wengen eindrucksvoll unterstrichen, dass er seit dieser Saison auch in der Abfahrt zur absoluten Weltspitze zählt. Er hatte ja schon zu Saisonbeginn die Abfahrtsrennen in Lake Louise und in Beaver Creek gewonnen und die Abfahrt in Val d’Isere auf Platz vier beendet. Miller ist zumindest im Moment der perfekteste Skifahrer.

Und noch etwas kann man vor dem heutigen Slalom in Wengen sagen: Nach Jahren der österreichischen Dominanz im alpinen Ski-Weltcup dürfte mit Miller in diesem Jahr zum ersten Mal seit sieben Jahren ein Nicht-Österreicher den Gesamtweltcup gewinnen: Nach 21 Weltcup-Rennen hat Miller bereits mehr als 1000 Punkte gesammelt – und damit mehr als drei Mal so viele wie das gesamte deutsche Männer-Team. 258 Punkte liegt er nun vor dem Österreicher Benjamin Raich, der am Freitag die neu eingeführte Super-Kombination gewonnen hatte. Und dass der 27-jährige Tiroler dem US-Amerikaner noch ernsthaft gefährlich werden kann, glauben nicht einmal die patriotischsten österreichischen Sportreporter, zu deutlich ist Millers Dominanz: Der US-Amerikaner ist der beste Super-G- und Riesenslalomläufer dieser Saison, in beiden Disziplinen führt er die jeweilige Diszipin-Wertung an.

Vor der Saison 2004/2005 hatte Miller in der Abfahrt noch nie einen Podestplatz erreicht, nun aber liegt er in der Abfahrtswertung auf Platz zwei. Dass er im Slalom derzeit nur auf dem neunten Platz rangiert, liegt vor allem daran, dass Miller nach wie vor mit vollem Risiko fährt und deswegen genauso oft stürzt wie durchkommt – Ähnliches ist auch beim Spezialslalom heute von ihm zu erwarten. Miller dürfte in seiner aktuellen Form das Rennen entweder gewinnen – oder ausfallen. Er geht aber jedes Rennen überaus gelassen an. In Wengen hat er vor dem Rennen mit seinen Teamkollegen Eishockey gespielt, um sich die Zeit zu vertreiben.

Selbst die österreichischen Trainer geben zu, dass im Moment wohl keiner so ein Gefühl für die Carving-Technik hat wie der US-Amerikaner, der mehrere Jahre beim Österreichischen Ski-Verband (ÖSV) trainiert hat. Er entwickelt eine ungeheure Kurvengeschwindigkeit, und obwohl er bei weitem nicht so ein athletischer Sportler ist wie etwa Olympiasieger Hermann Maier, kann Miller in den schnellen Disziplinen engere, schnellere Linien fahren. Selbst der ÖSV, der in die Entwicklungs- und Forschungsarbeit mehr Geld investiert als kleinere Skinationen an Gesamtbudget zur Verfügung haben, hat kein Mittel gegen Miller, und so hat Benjamin Raich, der Zweite der Gesamt-Weltcupwertung, erst kürzlich erklärt, er könne den US-Amerikaner nur dann besiegen, wenn dieser häufiger ausfallen würde. Die Weltmeisterschaften dürften also zu einem Miller-Spektakel werden.

Markus Huber[Wien]

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