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Sport: Rentner am Boxring

Manfred Wolke denkt nicht ans Aufhören: Er will Danilo Häußler zum Weltmeister machen

Berlin. Er hätte es schön haben können. Er hätte sich neulich zu seinem 60. Geburtstag ordentlich hochleben und die kommenden Jahre in aller Gelassenheit auf sich zukommen lassen können. Er hätte auch einfach seine Frau und die drei Kinder in die Toscana einladen können. Und während seine Kinder irgendwann wieder in den Berufsalltag hätten eintauchen müssen, hätte er mit seiner Frau so richtig ausspannen können. Manfred Wolke aber hat sich anders entschieden. Manfred Wolke ging lieber in die Boxhalle und schuftete. So, wie er das in den vergangenen 30 Jahren auch gemacht hat. Wenige Tage vor seinem Geburtstag hat der Boxtrainer seinen Vertrag mit Promoter Wilfried Sauerland um zehn Jahre verlängert. „Per Handschlag“, sagt Wolke. „So war das auch beim letzten Mal.“

Mit Wolke ist Danilo Häußler in der Boxhalle. Auf ihn trifft in gewisser Weise das Gleiche zu. Bei der Polizei lag schon die aussichtsreiche Bewerbung des jungen Mannes mit Abitur vor, die Laufbahn für den gehobenen Dienst schien vorgezeichnet. Er hätte seine Freundin Silke heiraten und mit ihr ein sorgenfreies Leben führen können. Häußler aber entschied sich anders. Er wurde Boxprofi. Seitdem ist viel Schweiß geflossen in Wolkes Camp auf einem Güterbahnhof in Frankfurt an der Oder. Sehr viel Schweiß – und Tränen. Am Ruhm aber muss noch gebastelt werden. Beispielsweise diesen Samstagabend, kurz vor Mitternacht. Dann wird Danilo Häußler seinen Titel als Europameister im Super-Mittelgewicht verteidigen. Sein gegner ist der Engländer Glenn Catley.

An diesem Samstag beginnt die Trainerlaufbahn für Wolke noch einmal von vorn. Mit dem neuen Vertrag, den er als Rentenvertrag bezeichnet. „Das Dumme ist nur, dass ich mich noch lange nicht als Rentner fühle.“ Sonst hätte er sich wohl auch kaum die zeitraubende Aufgabe zugemutet, einen weiteren jungen Boxer nach oben zu führen. In Häußler hat er endlich wieder einen, der Weltmeister werden kann. Einen wie Henry Maske, der unter Wolke zehnmal seinen Titel verteidigte. „Henry war eine andere Zeit und eine andere Liga“, sagt Wolke. „Ich will keine fertigen Weltmeister. Ich will junge Leute um mich haben, mit ihnen etwas erarbeiten, so dass sie mal etwas darstellen.“ Wolke und Häußler passen zusammen. Sie sind Kämpfer, aber keine Naturtalente. „Danilo hat die gleiche Einstellung wie ich“, sagt Wolke. „Alles ist dem Boxen untergeordnet.“

„Erfolge machen mich süchtig“

Mit dieser Einstellung wurde Wolke 1968 Olympiasieger und später einer der erfolgreichsten Trainer der Welt. Das Duo Maske/Wolke hatte Anfang der Neunziger einen wahren Box-Boom in Deutschland ausgelöst. Der gipfelte, als an einem Abend mehr als 20 Millionen Menschen Wolkes Gesicht in der Ecke des Rings sahen, in dem der von ihm betreute Axel Schulz gegen Francois Botha boxte. „Erfolge machen mich süchtig“, sagt Wolke. Maske und Schulz verließen mit gefüllten Taschen den Boxring. Wolke dagegen blieb im Lokschuppen, es wurde ruhig um ihn. Hat er den Absprung verpasst?

„Am Geld hat es nie gelegen“, sagt Wolke. „Es war doch klar, dass Henry irgendwann mal kommen und sagen würde: Trainer, ich höre auf.“ Das war im November 1996. Und so war es drei Jahre später auch bei Axel Schulz. Danilo Häußler hingegen muss erst noch ein paar Gegner schlagen, bevor er sich als gemachter Mann zurückziehen kann. Seit zwei Jahren ist er Europameister, verloren hat er noch nie. Wolke sieht das nicht unbedingt als Vorteil. „Danilo fehlt so ein Knick in der Karriere, eine Niederlage“, sagt er. „Ich will sie nicht herbeireden, aber solche Ecken machen das Leben aus.“ Wolkes Karriere nahm ihren größten Knick erst nach ihrem Ende – in Form von Alkoholproblemen, die er lange Zeit nicht wahrhaben wollte. „Ich war am Boden, aber nicht ausgezählt.“

Angezählt war auch Häußler schon einmal. Und zwar ausgerechnet in seinem letzten Kampf gegen den kommenden Gegner. Den ehemaligen Weltmeister Glenn Catley konnte Häußler im März vorigen Jahres nur knapp nach Punkten besiegen, war in der achten Runde am Rande der Niederlage. „Diesmal soll die Sache klarer für mich ausgehen“, sagt der 27-Jährige. „Mit meinem Trainer bereite ich mich auf alles vor, was auf mich zukommen könnte. Denn Catley wird sich ganz bestimmt etwas einfallen lassen.“ So wie er sich etwas einfallen ließ, damit es überhaupt zu dem Kampf kam. Wegen des umstrittenen Urteils bei der Niederlage im März hat der Brite über die Europäische Box-Union (EBU) eine Neuauflage erzwungen. Die EBU ernannte Catley daraufhin zu Häuslers Pflichtherausforderer.

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