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Sport: Respektierter Teddybär

Deutschlands einziger Sumo-Profi ist Weltklasse

Berlin - Zwei voluminöse Menschen stampfen in den Ring, bekleidet nur mit einem weißen, neun Meter langen Stoffband um den Unterleib. Sie postieren sich so, dass sie sich anstarren können. Dann führen sie ihre Arme erst hinter den Kopf und strecken sie langsam zur Seite. So verlangt es das Ritual. Dann fixieren sie sich, den Oberkörper gebeugt, ganz lange. Körpersprache als Symbol von Macht und latenter Aggression. Irgendwann drückt einer seine Fäuste auf den Boden. Das Zeichen des Angriffs. Der Kampf der Sumo-Ringer erreicht die zweite Stufe. Diesmal bei den Berlin Basho Open in der Franz-Mett-Sporthalle.

Ein kurzes Spektakel zumeist, nach drei, vier Sekunden ist häufig alles entschieden. Dann wurde entweder einer aus dem Ring gedrängt oder er hatte nicht bloß mit seinen Füßen Bodenkontakt. So ist es seit unendlich vielen Jahren. Die Regeln des Sumo-Ringens, so lautet die Legende, haben ja nicht Menschen sich ausgedacht, sondern die Götter. Früher, ganz früher. Sumo-Ringen ist eigentlich ein Stellvertreterkrieg, historisch gesehen. Mit dem Duell der Körpermassen haben die Götter einst entschieden, wem die japanischen Inseln gehören. Das wird jedenfalls seit Generationen kolportiert. Aber spielt das eine Rolle? Sumo-Ringen hat seinen ewigen Stellenwert in der japanischen Kultur, da wird nicht mehr nach Wurzeln gefragt.

Längst hat es Sumo-Ringen bis nach Europa geschafft. Berlin ist nur eine Wettkampfstation von vielen. Mehr als 200 Kilogramm wogen die Teilnehmer, darunter der Weltmeister von 2006 und 2007, Ulambayar Byanbajew. Der Mongole besiegte im Finale den Bulgaren Petar Stoyanow. Doch den größten Jubel erhielt ein Außenseiter, ein Leichtgewicht. Einer, der im Feld der Kolosse auffiel wie ein Trabbi bei einem Formel-1-Rennen. Der Russe Pawel Babuk ist nur 99 Kilogramm schwer, aber er kämpfte sich bis ins Viertelfinale. Eine Sensation.

Auch der erfolgreichste deutsche Sumo-Ringer, Mannschaftsweltmeister Alexander Czerwinski, erreichte das Viertelfinale. „Berlin ist 2008 das größte Turnier in Deutschland. Ich habe mein Ziel erreicht“, sagt der 33 Jahre alte Rostocker. Er stopft täglich Essen im Nährwert von 6500 Kalorien in sich hinein. Wie ein großer Teddybär mit Bauch, so empfindet er sich selbst.

2006 hatte er einen Auftritt bei „Wetten, dass....“, um sich von dem Schauspieler Armin Rhode auf die Matte werfen zu lassen. Eine größere Werbeplattform kann er für seine Sportart nicht bekommen. Die braucht er aber auch. Es gibt in Deutschland wenig Sponsoren, deshalb ist Czerwinski der einzige nationale Sumo-Profi. In anderen europäischen Ländern sieht es anders aus, diese Profis werden auch in Japan anerkannt. „Die Zeiten, in denen die Japaner uns belächelten“, sagt Czerwinski, „die sind vorbei“.

Ein Teddybär genießt Respekt.

Marieke Nannen

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