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Sport: Revolution auf dem Rasen

In der Stunde der finanziellen Not kennen Geschäftsleute bekanntlich wenig Skrupel. Auch die Agnelli-Familie nicht, deren graumeliertes Oberhaupt Gianni Agnelli in Italien seit jeher die Reputation eines gekrönten Hauptes genießt.

In der Stunde der finanziellen Not kennen Geschäftsleute bekanntlich wenig Skrupel. Auch die Agnelli-Familie nicht, deren graumeliertes Oberhaupt Gianni Agnelli in Italien seit jeher die Reputation eines gekrönten Hauptes genießt. Schließlich ist Agnelli Chef des Fiat-Konzerns und Mehrheitseigner des italienischen Renommierklubs Juventus Turin. Agnelli hat nun einen alten Geschäftsfreund als neuen Investor für seinen Fußball-Verein gewinnen können: Muammar el Gaddafi. Der libysche Staatschef ist seit dieser Woche der zweitgrößte Aktionär des italienischen Fußball-Rekordmeisters. Über seine Investmentgesellschaft "Lafico" hat Gaddafi für 22,9 Millionen Euro rund 6,4 Millionen Juve-Aktien an der Mailänder Börse aufgekauft.

Die Transaktion erfüllt die Führung des italienischen Rekordmeisters, der zu 63 Prozent der Agnelli-Holding "Ifi" gehört, mit Stolz. Der Wortlaut der Pressemeldung, in der die ungewöhnliche Transaktion bestätigt wurde, konnte kaum verhüllen, wie sehr die Juve-Führung über die Investition geschmeichelt ist: "Juventus ist der Ansicht, dass die Erweiterung seiner Aktionärsmannschaft durch einen Anleger wie "Lafico" das Interesse für eine Gesellschaft und ihre Entwicklungsprojekte im Bereich des Entertainment bestätigt." Kein Wort steht in der Verlautbarung zum Umstand, dass der libysche Revolutionsführer Oberst Muammar el Gaddafi, der hinter der Transaktion steht, in den Siebziger- und Achtzigerjahren vom Westen angeprangert wurde, den internationalen Terrorismus zu unterstützen.

Berührungsangst mit dem im Westen verfemten Gaddafi kennt die Agnelli-Familie ohnehin nicht. Bereits 1976 erwarb dieselbe "Lafico" Anteile an der Fiat-Holding. Nur durch diese Finanzspritze konnte Fiat den harten Verdrängungswettbewerb bestehen. Damals erwarben die Libyer für 410 Millionen Dollar ein dreizehnprozentiges Stammaktienpaket sowie zwei Sitze im Verwaltungsrat des Unternehmens. Zehn Jahre später musste Fiat-Präsident Gianni Agnelli den unbequemen Sozius für 3,1 Milliarden Dollar auszahlen. Der internationale Druck, besonders aus den USA, verlangte es. Denn außenpolitisch brachte die libysche Beteiligung Italien in eine Zwickmühle. Der damals größte Privatkonzern eines ohnehin labilen Landes an der Südflanke der Nato, der zudem einer der größten Waffenproduzenten war, holte sich einen Partner ins Haus, der an Unzuverlässigkeit kaum zu überbieten war. Dass damals der Fiat-Konzern und mit ihm die Agnelli-Familie so schadlos aus der Affäre hervorgegangen sind, belegt den großen Einfluss Gianni Agnellis.

Eine Freude für den Sohn

Wenn nun der libysche Revolutionsführer mit der Turiner "Alten Dame" anbändelt, die gleichsam das Lieblingsspielzeug der Agnelli-Familie war und noch immer Gianni Agnellis Passion ist, dann geschieht dies wohl vornehmlich, um seinem fußballverrückten Sohn El Saady Gaddafi eine Freude zu machen. Er ist nicht nur Präsident der libyschen Fußballmannschaft Al Ittihad, sondern auch leidenschaftlicher Juve-Fan. Juventus Turin, dessen Börsennotierung vor sechs Wochen abgewickelt wurde, ist nicht irgendein Klub. Der italienische Rekordmeister ist das Aushängeschild einer unerreichten Unternehmerdynastie und schreibt seit nunmehr drei Jahren konstant schwarze Zahlen. Anteile an dem Klub zu erwerben steigert nicht nur das Prestige des Investors, sondern macht ihn auch salonfähig. Weitere Beteiligungen sowohl an Juventus als auch an anderen Gesellschaften sind deshalb nicht ausgeschlossen.

Es ist also ein Deal im beiderseitigen Interesse. Denn der Turiner Autokonzern befindet sich wieder in einer schweren Finanzkrise, die erst jüngst den Geschäftsführer von Fiat-Auto, Roberto Testore, den Job kostete. Das Millionen verschlingende Sportsponsoring des Konzerns für den Fußballklub, der sportlich den Anschluss an die Spitze sucht, muss auf ein akzeptables Maß zurückgeschraubt werden. Da kommt die Hilfe aus Libyen gerade recht. Wieder einmal.

Iserlohn und das Grüne Buch

Muammar el Gaddafi sorgte auch schon einmal in der deutschen Sportwelt für Aufregung. Am 4. Dezember 1987 warb der Libyer auf den Trikots des Eishockey-Bundesligisten ECD Iserlohn für das "Grüne Buch", einen politischen Leitfaden, den Gaddafi 1973 nach dem Vorbild der Mao-Bibel verfasst hatte. Die Trikotwerbung des damals international geächteten Diktators stieß sofort auf heftige Kritik aus dem In- und Ausland. Nur zwei Tage später trat die Mannschaft wieder mit der alten Werbung an. Ob Iserlohns Vereinsboss Heinz Weifenbach damals tatsächlich Geld aus Libyen bekam, ist bis heute nicht bekannt. Gebracht hat es alles nichts. Der ECD Iserlohn musste sich wenig später wegen 5,8 Millionen Mark Steuerschulden aus der Bundesliga zurückziehen.

Vincenzo Delle Donne

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