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Roger Federer spielt bei der Tennis-WM in London wieder groß auf.

© dpa

Roger Federer: Das Museum muss warten

Roger Federer hat sich nach dem sportlich enttäuschenden Jahr 2013 wieder zurückgekämpft. Mit einem Erfolg bei den World-Tour-Finals und einem Sieg im Davis-Cup-Finale könnte er zum Jahresende sogar wieder die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste werden.

Das Gedränge war groß vor dem Eingangstor des Tower of London. Wie immer eigentlich, zählt die historische Festung am Themse-Ufer doch zu den beliebtesten Touristenzielen der Metropole. Am vergangenen Donnerstag aber gab es dort noch Ungewöhnlicheres zu bestaunen als die Kronjuwelen des englischen Königshauses. Mitten im Pulk der Besucher hatte sich Roger Federer mit seiner Familie eingereiht. Einfach so, wie ein ganz normaler Tourist. „Wir kauften einfach Tickets und reihten uns in den Strom der Leute ein“, erzählte Roger Federer. „Wenn man einmal drin ist, fällt man auch nicht mehr so auf. Aber es waren extrem viele Leute, ein Wahnsinn.“

Und diese Leute hätten sich sicherlich genauso gerne angestellt, um die 82 Siegertrophäen zu bestaunen, die der Schweizer Superstar inzwischen angesammelt hat. Auf der ganzen Welt fliegen Federer die Sympathien zu wie keinem anderen, doch ganz besonders in London. Sieben Mal gewann er in Wimbledon, dem Tennis-Mekka. Und nun ist Roger Federer zum 13. Mal in Folge für die World-Tour-Finals qualifiziert, bei denen er als einziger Spieler der Geschichte schon sechs Mal den WM-Titel abgeräumt hat. Ein weiterer könnte nach seinem furiosem Auftakt gegen Milos Raonic und dem 6:3, 6:2-Sieg über Kei Nishikori folgen.

Roger Federer will seine letzten Reserven aktivieren im Kampf um Platz eins der Weltrangliste

Zum sechsten Mal wird das Elite-Turnier der besten acht Profis des Jahres nun in London ausgetragen, doch viel Zeit für Sightseeing hatte Federer sonst nie gehabt. Dieses Mal nahm er sie sich, denn „es ist mir wichtiger, geistig frisch ins Turnier zu starten, als möglichst viel zu trainieren“. Die paar Tage Pause vergangene Woche hatte er dringend nötig gehabt, Federer fühlte sich erschöpft nach den Siegen in Schanghai und Basel. Der Saisonendspurt ist ein Kraftakt für den 33-Jährigen. Doch er will seine letzten Reserven aktivieren – schließlich hat Federer die Chance, die Saison als Nummer eins abzuschließen. „Sie ist zwar gering, aber es wäre großartig, wenn es klappen würde“, sagte Federer. Jedoch hat er es nicht selbst in der Hand, denn der Serbe Novak Djokovic liegt 1310 Punkte vor ihm.

Mit einem ungeschlagenen Triumph in London könnte Federer 1500 gutmachen, zudem bliebe ihm noch die Option von möglichen 225 Zählern beim Davis-Cup-Finale gegen Frankreich in zwei Wochen. Gewinnt Djokovic jedoch alle drei Gruppenspiele in London, könnte Federer den Serben schon nicht mehr einholen. „Es ist toll, dass sich die Möglichkeit für mich noch ergibt“, sagte Federer, „damit hatte ich gar nicht mehr gerechnet.“

302 Wochen hatte der Schweizer in seiner einzigartigen Karriere bereits an der Spitze der Weltrangliste verbracht, länger als jeder andere. Und bei all den Rekorden, die der vielleicht beste Spieler aller Zeiten schon aufgestellt hat, würde Federer gerade diesen allzu gerne weiter ausbauen. „Wenn man ein Turnier gewinnt“, erklärte er, „dann hat man ein oder zwei Wochen lang gut gespielt. Aber wieder die Nummer eins zu sein, ist eine ganz andere Geschichte.“

2014 gewann Roger Federer fünf Titel und zog fünf weitere Male in ein Finale ein

Damit würde er seine herausragende Saison untermauern. Ein Jahr, in dem Federer konstant auf hohem Niveau gespielt, fünf Titel gewonnen und fünf weitere Male ein Finale erreicht hatte. Und das tat gut nach der Saison 2013, die für ihn die schlechteste seit einem Jahrzehnt war und nach der ihn viele Kritiker mal wieder abgeschrieben hatten. Das ärgerte ihn. Doch Federer hatte sich aufgerappelt. Er bekämpfte die Rückenschmerzen, hatte den Mut zu einem Schlägerwechsel und er fand mit seinem Kindheitsidol Stefan Edberg einen Mentor, der ihm wieder Sicherheit und Wohlgefühl auf dem Platz gab.

Auch wenn Roger Federer in Wimbledon nur um ein paar Punkte seinen 18. Grand-Slam-Titel verpasste, so ist er trotzdem in Schlagdistanz zur Nummer eins. Wie sehr ihn dieses Gefühl befriedigt, ist ihm anzusehen. Der 33-Jährige ist in London nicht auf nostalgischer Abschiedstour, er ist noch lange kein Fall fürs Museum. Vielmehr ist Roger Federer ein Juwel, dass wieder in altem Glanz erstrahlt.

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