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Sport: Ruhender Ball

Die Beachvolleyball-WM in Berlin wird von den Spielern bestreikt – 105 Minuten lang

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Um 12 Uhr mittags herrschte auf dem Schlossplatz eine Art Ausnahmezustand. Nichts ging mehr. Kein Sand wurde mehr von nackten Füßen aufgewühlt, kein Ball flog mehr übers Netz. Die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft in Berlin machte Pause, höchst unfreiwillig allerdings. Spieler und Spielerinnen hatten ihre seit langem angekündigte Drohung wahrgemacht: Sie waren aus Protest gegen allzu einschneidende Maßregelungen durch den Weltverband FIVB in den Streik getreten. Was vorher undenkbar schien, lag plötzlich so nahe: ein sofortiger Abbruch der bis Sonntag geplanten WM in Berlin.

Die Zuschauer, rund 4000 um diese Zeit, harrten in brütender Hitze auf den Sitzen am Center Court aus. Sie ahnten nicht, wie die streitenden Parteien in einem weißen Zelt heiß diskutierten. 105 Minuten dauerte die Pause, es gab zähe Verhandlungen zwischen einer Spielerdelegation und FIVB-Präsident Ruben Acosta. Der auf der Tribüne sitzende NOK-Präsident Klaus Steinbach bot sich gar als Vermittler an. Nach 90 Minuten trat Götz Moser, Vizepräsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV), vor das Zelt. Er sagte nichts, lächelte nur und zeigte den erhobenen Daumen, das Signal für eine Einigung. Um 13.45 Uhr wurden die Spiele fortgesetzt, die WM war durch ein paar Zugeständnisse des als recht stur geltenden Ruben Acosta gerettet.

„Einen Boykott, ein Aufhören jetzt – das hätte doch niemand verstanden“, sagte DVV-Präsident Werner von Moltke erleichtert. Die nicht erst seit WM-Beginn recht angespannte Lage zwischen den Aktiven und dem Weltverband schien sich am Mittwoch schon beruhigt zu haben. Am Abend war bei einem Senatsempfang im Hotel Maritim ein schlichtendes Gespräch zwischen Spielern und Acosta anberaumt. Die Spieler erschienen gut vorbereitet. Sie hatten ein Papier ausgearbeitet, in dem sie eine Neuverhandlung der als allzu einengend empfundenen Spielerverträge mit der FIVB forderten sowie die Gründung einer bisher verbotenen Spielergewerkschaft. Acosta sollte sein Einverständnis per Unterschrift erklären, bis spätestens halb neun am gestrigen Morgen.

Der Präsident aber rührte sich bis zur vereinbarten Zeit nicht. Als er um 9.15 Uhr auftauchte, verwehrte er immer noch seine Unterschrift. „Ein Drecksladen“ sei die FIVB, wütete ein Spieler, der lieber nicht genannt werden will. Die WM-Teilnehmer berieten sich erneut – und vereinbarten den Ausstand für 12 Uhr. „Das ist das Beste, was passiert ist, seit ich im Sport bin“, jubelte die Australierin Natalie Cook, die sich zusammen mit Okka Rau als Aktivensprecherin an die Spitze des Widerstands gegen den Weltverband gesetzt hat. „Ich verstehe die Spieler absolut“, sagte selbst DVV-Vizepräsident Götz Moser.

Bei derart massiver Gegenwehr gab Acosta klein bei. Im silbergrauen Mercedes fuhr er mittags am Schlossplatz zu den Verhandlungen vor. Und ließ einen Kompromiss zu: Es wird in Zukunft eine Spielerkommission geben mit sieben weiblichen und sieben männlichen Aktiven, einer davon erhält Sitz und Stimme im World Council des FIVB, das alle wichtigen Entscheidungen trifft. Allerdings setzte Acosta auch durch, dass die Spieler keinen Rechtsanwalt als ihren Vertreter ins Council schicken dürfen. „Wir haben jetzt das Recht, um die Rechte der Spieler zu kämpfen“, erzählte Natalie Cook dennoch beglückt. Auch die Spielerverträge mit der FIVB werden überarbeitet.

„Wenn wir mittags den Laden dichtgemacht hätten, wäre der Deutsche Volleyball-Verband tot gewesen, allein bei den Regressforderungen, die da auf uns zugekommen wären“, sagte von Moltke. Sein innigster Wunsch kann nun aber erfüllt werden: „Jeder hat nachgegeben. Jetzt will die Welt sehen, wer Weltmeister im Beachvolleyball wird.“ Die Spiele gehen weiter – bis zum Ende.

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