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Im Visier. Lisa Unruh, Deutschlands beste Bogenschützin, in Aktion. Es braucht Kraft, Können und Konzentration. Foto: Imago

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Sport: Rumballern bringt nichts

Bogenschießen ist eine der ältesten Sportarten – die WM-Dritte Lisa Unruh hat Angst vor blauen Flecken

Berlin - Die Welt dreht sich in diesem Moment ohne sie. Lisa Unruh schaut auf den Boden, dann richtet sie ihren Blick auf, nach vorn zum Ziel. Jetzt hebt sie den Bogen an, Brustkorb und Hüfte in einer Linie zur Zielscheibe. Der rechte Arm zeigt im 90-Grad-Winkel nach hinten, die Finger klemmen den Pfeil ein. Lisa Unruh zieht ihren Arm nach hinten, die Sehne zwischen den Bogenenden krümmt sich, der Bogen spannt sich. Einige Sekunden vergehen. Jeder Muskel in Unruhs Körper ist angespannt. Und schließlich lässt sie los. Der Pfeil schnellt nach vorn, 18 Meter stößt er durch die Luft, dann prallt die Spitze mit einem kurzen Aufschlag in den gelben Fleck der Zielscheibe.

Lisa Unruh lässt den Bogen sinken. Man sieht es ihr nicht ansatzweise an, doch dieser Schuss hat ihrem Körper Höchstleistung abverlangt. Und ihrem Kopf.

„Der Schütze zielt mit dem ganzen Körper“, sagt Martin Frederick, Trainer der Bogenschützen-Nationalmannschaft. In der Halle feuern die Sportler ihre Pfeile aus 18 Metern Entfernung ab, im Freien sind für Frauen normalerweise 70 Meter Distanz vorgegeben, für Männer 90 Meter. Und gerade mal 12 Zentimeter misst der Durchmesser der Zielscheibe. Mit der Taktik, nur „draufloszuschießen“, kämen die Sportler nicht weit. Die Sehne muss richtig zurückgezogen werden, der Bogen muss exakt gespannt und der Pfeil exakt ausgerichtet sein – nur so kann die Spitze schnell, geradlinig und durchschlagskräftig in die Mitte des Ziels rammen.

Ein Bogenschütze muss eine „gehörige Portion Kraft“ besitzen, sagt Frederick. Auch eine gute Technik vergrößert die Chancen auf einen guten Schuss – und eine ordentliche Kondition. Dazu gehört körperliche Ausdauer, „aber auch die Fähigkeit, sich konzentrieren zu können“, sagt der 42-Jährige, „oft über mehrere Stunden, und unter der nervlichen Anspannung der Wettkampfsituation“.

Schützin Lisa Unruh musste gerade bei den Berlin Open all diese Fähigkeiten aktivieren. „Der Sport ist so vielseitig“, erzählte die 22-jährige Siegerin im Sportforum Hohenschönhausen, die gerade eine Ausbildung zur Bundespolizistin macht. Sie schießt in der Nationalmannschaft und hat bei der WM 2008 den dritten Platz geholt. Ihr großes Ziel ist es nun, 2012 nach London zu fahren zu den Olympischen Spielen.

Eigentlich ist Bogenschießen eine Sommersportart. Im Freien „sind wir Wind, Sonne oder Regen ausgesetzt“, sagt Unruh. Das Ausdauertraining der Schützen findet dreimal in der Woche im Kraftraum statt. Zusätzlich schwimmen und joggen sie, fahren Rad. „Hinzu kommt natürlich noch das Schießtraining an sich.“ 30 000 Bogenschützen gibt es in Deutschland.

Bogenschießen ist eine der ältesten Sportarten überhaupt. Vor Tausenden von Jahren, mindestens 14 000 sagt man, sind die Menschen mit Bögen auf die Jagd gegangen, damals dienten ihnen noch einfache Weidenstöcke. An Karbon oder Metall wie heute war noch nicht zu denken. Die Geräte erinnern kaum noch an die Urversionen, vielmehr ähneln sie hoch technisierten und physikalisch ausgeklügelten Sportgeräten. Auch die Namen zeigen die Entwicklung: Recurve-Bögen und Compound-Bögen, die oft mit Flaschenzügen verglichen werden, sind die heute am häufigsten genutzten Bogentypen. Das Schießen mit dem Recurve-Bogen, bei dem die Wurfarme an ihren Enden nach vorn gebogen sind, ist seit 1972 feste olympische Disziplin.

Der Schütze braucht einen Brust- und Armschutz. Verkalkuliert er sich nur wenige Millimeter, streift die Sehne seinen Arm. „Das kann schmerzhafte blaue Flecken geben“, sagt Lisa Unruh. Die Schützin kennt die nur zu gut, vor allem aus ihrer Anfängerzeit.

Anja Brandt

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