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Sport: Schach gegen Israel

Warum die WM diesmal in Libyen stattfindet

Früher soll Muammar al Gaddafi Terroristen unterstützt haben – heute sponsert er Schachspieler. Gestern hat in Tripolis die Weltmeisterschaft des Weltschachbundes Fide begonnen. Offenbar will Libyens Staatschef nun auch mit Schach seinen Wandel demonstrieren. Doch der Geist der Vergangenheit war schon vor dem ersten Zug zu spüren: Unter den 128 Spielern fehlen unter anderem drei israelische Großmeister. Gaddafis Sohn Mohammed, Chef des Nationalen Olympischen Komitees Libyens, hat sie verschreckt: „Wir haben und werden den zionistischen Feind nicht zu dieser Weltmeisterschaft einladen.“ Eher falle das Turnier aus. Trainern und anderen Begleitpersonen aus Israel haben die Libyer sogar gleich die Visa verweigert.

Zwar ließ der Weltschachbund daraufhin verkünden, alle Teilnehmer seien willkommen, doch eine entschlossenere Reaktion zeigten die Herren um FidePräsident Kirsan Iljumschinow nicht. Als er auf einen Protestbrief der neu gegründeten Spielervereinigung ACP antwortete, ging er gar nicht auf die Aussage von Gaddafis Sohn ein. Iljumschinow, der zugleich über die autonome russische Republik Kalmückien herrscht, bemerkte stattdessen, die israelischen Spieler hätten es versäumt, die Spielbedingungen zu unterschreiben und sich nicht abgemeldet.

Wie bedenkenlos der Präsident des finanzschwachen Weltverbandes Förderer aussucht, offenbarte er schon mehrfach: 1996 wollte er das WM-Finale in Bagdad ausspielen lassen, unter Saddam Husseins Schirmherrschaft. Auch für die jüngst beendete Frauen-WM fand Iljumschinow dubiose Geldgeber, etwa den ehemaligen Gouverneur der georgischen Region Adscharien, Aslan Abaschidse, der im Mai angesichts Tausender Demonstranten nach Russland flüchtete. Für die WM in Tripolis stellt Gaddafi 1,5 Millionen US-Dollar Preisgeld bereit.

Den meisten Spielern blieb kaum eine Wahl. Für Alexander Graf, den amtierenden Deutschen Meister, ist die Reise nach Tripolis „eine von wenigen Möglichkeiten viel Geld zu verdienen“. Begleitet werden die drei deutschen Teilnehmer von Bundestrainer Uwe Bönsch, für den das Turnier durchaus die Bezeichnung „Weltmeisterschaft“ verdient. „Es nehmen ja von den Top 100 immerhin 75 oder 80 Spieler teil“, sagt er.

Allerdings fehlen sowohl der Titelverteidiger, Ruslan Ponomarjow, als auch Garry Kasparow, Viswanathan Anand, Wladimir Kramnik und Peter Leko, die vier weltbesten Spieler. Ponomarjow hatte es abgelehnt, in Tripolis zu spielen, weil Kasparows Privilegien zu groß seien: Kasparow darf als Nummer eins der Weltrangliste im Zuge einer möglichen Titelvereinigung gegen den Sieger von Tripolis spielen. Der Gewinner aus diesem Wettkampf soll anschließend gegen den Sieger des Duells zwischen Leko und Kramnik, dem amtierenden Weltmeister im so genannten klassischen Schach, antreten. Die WM in Tripolis ist daher nur eine Etappe auf dem Weg zum „Weltmeister aller Klassen“.

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