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Tore wie Pelé. Die Jamaikanerin Beverly Ranger (r.) war eine Attraktion in Deutschland.

© picture-alliance/ dpa

Fußballerin Beverly Ranger: "Schau dir das Negerlein an"

In den Siebziger Jahren war Beverly Ranger der erste Star im deutschen Frauenfußball. Aufmerksamkeit erhielt sie damals aber vor allem wegen ihres Äußeren.

Es ist der 26. April 1975. Im Entscheidungsspiel um die Mittelrhein-Meisterschaft liegt der Bonner SC mit einem Tor gegen die SSG Bergisch-Gladbach zurück. Und dann, auf Höhe der Mittellinie, schnappt sich Beverly Ranger entschlossen den Ball. Mit großen Schritten umkurvt die Bonner Stürmerin die erste Gegenspielerin. Vor der zweiten Attacke beschleunigt sie plötzlich und wechselt dann die Richtung. Beverly Ranger schlägt einen weiteren Haken und lässt die dritte Gegenspielerin ins Leere grätschen. Dann legt sie sich den Ball ein Stück weit vor und sprintet hindurch zwischen Gegnerin vier und fünf. Fünf versucht noch, sie am Arm zu fassen, aber sie ist schon auf und davon. Und auch die Torhüterin kann ihr den Ball nicht mehr abnehmen, Ranger geht links an ihr vorbei und schiebt ihn ins leere Tor.

Ein Treffer, der jeden Fußballfan von seinem Sitz reißt. Ein Traum-Solo, ein Jahrhunderttor, noch elf Jahre bevor Maradona auf das Tor der Engländer zuläuft. Die Sportschau-Zuschauer wählen das Ausgleichstor von Beverly Ranger zum Tor des Monats. Und Ranger ist damit die zweite Frau nach Bärbel Wohlleben, der diese Ehre zuteil wird. Bei der Überreichung der Medaille spielen sich jedoch seltsame Szenen ab.

Die Sportschau beginnt mit eingespielten Szenen von dunkelhäutigen Mädchen, die in knappen Kleidchen zu Trommelklängen tanzen. Moderator Ernst Huberty steht neben einer Karte von Jamaika und wiederholt den Refrain des Eingangsliedes: „Schön und kaffeebraun sind alle Frau'n aus Kingston Town, hier ist der lebende Beweis: Beverly Ranger!“ Schüchtern steht die auf Jamaika geborene Britin nun neben dem Moderator und nimmt schweigend die goldene Ehrenmünze entgegen.

Über Nacht wird Beverly Ranger berühmt. Sie ist der erste Star, die erste Profispielerin des deutschen Frauenfußballs, eine Pionierin ihres Sports, sie hat ein atemberaubendes Tor erzielt. Aber Aufmerksamkeit erhält sie vorwiegend wegen Äußerlichkeiten. Ihrer Hautfarbe. Dafür, dass sie attraktiv ist. Ja mehr noch, eine attraktive Frau, die Fußball spielt. Einen Sport, den damals viele als unweiblich ablehnen. Das Deutschland der Siebziger Jahre bestaunt diese Kombination, als wäre gerade eine Außerirdische gelandet. Zeitungen titeln von der „kaffeebraunen Schönheit“, der „schwarzen Perle“ und dem „braunen Bomber“.

Man könnte es abtun als die etwas naive Vorstellung von Unterhaltung und Exotik der damaligen Zeit. Doch die Geschichte der Beverly Ranger ist auch ein Lehrstück über die Probleme, mit denen sich der Frauenfußball seit seinen Kindertagen herumschlagen muss: Reduzierung auf das Geschlecht und das Aussehen, über positiv gemeinte Diskriminierung, die mehr Aufmerksamkeit und Wohlwollen beschert, aber die Leistungen der Athletin und ihrer Kolleginnen verdrängt.

Heute lebt Ranger als Lehrerin in den USA

Daran hat sich bis heute, Deutschland im Rausch der Frauenfußball-WM, wenig geändert. Die Schlagzeilen, die beispielsweise Fatmire Bajramaj oder Celia Okoyino da Mbabi auch wegen ihres Aussehens beziehungsweise ihrer Herkunft schrieben, sind Beleg dafür.

Beverly Ranger dagegen ist in Vergessenheit geraten. Die Vorreiterin des Frauenfußballs hat beim DFB angefragt, ob sie als Gast zur WM kommen dürfe, aber sie erhielt keine Antwort.

Die 58-Jährige lebt heute in den USA, sie unterrichtet geistig behinderte Kinder an einer Schule in Charlotte. „Die Deutschen waren damals begeistert über mein Spiel, sie sagten: Schau dir mal das kleine Negerlein an, die ist gut, so was hast du noch nicht gesehen“, erinnert sie sich an die Reaktionen, die sie 1974 auf einer Deutschlandtournee mit ihrem englischen Verein auslöst.

„In England war es nichts Besonderes, einen Schwarzen zu sehen, da war ich nur eine gute Spielerin neben anderen“, erinnert sich Ranger, „aber wir reden über das Deutschland der Siebziger Jahre, da sah man höchstens mal dunkelhäutige US-Soldaten.“ Nach der Tournee landet sie über Umwege beim Bonner SC und wird als weiblicher Pelé gefeiert. „Ich wusste immer, was meine nächste Bewegung sein würde, wenn der Verteidiger auf mich zukam“, sagt sie.

Zum Finale um die Deutsche Meisterschaft 1975 gegen Bayern München kommen vor allem wegen Ranger rekordverdächtige 2500 Zuschauer.

Als erste Frau erhält sie von ihrem Verein Gehalt, 900 Mark im Monat. Und als Puma mit ihr einen Werbevertrag über 2200 Mark monatlich abschließt, ist sie die erste Fußballspielerin in Deutschland, die von ihrem Job leben kann. Ranger kickt nun mal in Mönchengladbach mit Rainer Bonhof und Berti Vogts, spielt bei Promi-Hallenturnieren mit Dieter Müller und Rosi Mittermaier. Der Boulevard dagegen will Fotos im Bikini. „Mein Aussehen war mir wichtig, ich wollte lieber, dass mich die Leute elegant und hübsch nennen, als dass sie sagen: Das schwarze Mädchen sieht ja aus wie ein Bub“, sagt Ranger. Immerhin beschert sie dem Frauenfußball, der erst seit fünf Jahren offiziell erlaubt ist, erste Aufmerksamkeit, wenn auch nicht immer auf den Sportseiten.„Eine Zeitung hat einmal geschrieben, ich hätte Frauenfußball überhaupt erst zum Thema gemacht“, sagt sie, „wenn das so ist, dann ehrt mich das natürlich.“

Beverly Ranger ist der Inbegriff eines positiven Menschen. Was die Leute denken, sagt sie, könne man nicht ändern und was man ihr nicht ins Gesicht sagt, tue ihr nicht weh. Auch die Sportschau-Episode nimmt sie gelassen hin. „Es sollte wohl exotisch wirken“, sagt sie, die damals schon jedes Wort verstand.„Es war aber nicht unbedingt nötig, es konnte ja jeder sehen, dass ich dunkelhäutig bin.“ Und wäre sie nicht so eine gute Fußballspielerin gewesen, „dann hätte meine Hautfarbe keine Rolle gespielt, so aber war sie schon ein Vorteil, anders als bei vielen anderen“.

Beverly Ranger gewinnt zwei Meisterschaften, spielt in Deutschland für mehr Vereine, als sie aufzählen kann und beendet Mitte der Achtziger Jahre ihre Karriere. Danach trainiert sie eine US-amerikanische Militärauswahl in Würzburg. Zweimal führt Ranger die Männer ins Militärfinale nach Nürnberg. 1989 siedelt sie in die USA über. Dort gewinnt die begnadete Athletin einige Amateurturniere im Tennis. Dass sie mal Fußball gespielt hat, weiß kaum jemand, sie spricht fast nie davon.

„Ach, dass ich mal Fußballspielerin war, ist keine große Sache“, sagt sie. „Anderen Leuten hat das schon immer mehr bedeutet als mir.“ Zwei Fotoalben mit Zeitungsartikeln hat sie noch, den Rest hat sie an ihre Familie verschenkt, auch die Goldmünze der Sportschau. Doch ihr Tor, das bleibt. Und die Probleme des Frauenfußballs leider auch.

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