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Sport: Scherben in Paris

Bei der Vorstellung der Tour de France 2007 fragen sich alle, wer die Dopingrundfahrt 2006 gewonnen hat

Der Rückblick endete mit Scherben. Bei der Präsentation der neuen Route der Tour de France 2007 im Palais des Congres in Paris füllte gestern Floyd Landis im Gelben Trikot und Siegerpose die Großleinwand des Amphitheaters. „Vainqueur du Tour de France 2006, Floyd Landis“, Sieger der Tour de France, Floyd Landis, dröhnte es aus den Lautsprechern. Dann klirrten Scherben. Das Gesicht von Landis zersprang in die Bruchstücke eines Spiegels.

Doch ein Schlussstrich war mit dem Filmchen noch lange nicht unter die Skandaltour dieses Jahres gezogen. „Doping bleibt des Problem Nummer eins“, rief Patrice Clerc, Präsident der Amaury Sport Organisation, den rund 2000 Zuhörern, den Radmanagern und Rennfahrern in Paris zu. Ein überführter Dopingbetrüger als Toursieger? Unvorstellbar. Doch offiziell ist weiter der US-Amerikaner Landis der Sieger. Er ist zwar während der Tour positiv auf Testosteron getestet worden, wird aber erst im Januar von der Antidopingagentur der USA dazu vernommen. Ob dann der Zweite, der Spanier Oscar Pereiro, als Sieger proklamiert wird oder ob es keinen Sieger der Tour 2006 gibt, das wurde in Paris heftig diskutiert – ohne Ergebnis.

Vergangenes Jahr hatten Clerc und sein Tourchef Jean-Marie Leblanc eine „Erneuerung der Tour“ versprochen. Dann wurde alles noch schlimmer. Die beiden Favoriten Jan Ullrich und Ivan Basso erhielten nach dem Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes Startverbot – und der Dopingfall Landis kam auch noch hinzu. „Jetzt habe ich keinen Stress mehr“, sagte der 62 Jahre alte Leblanc gestern erleichtert, als er nach 18 Jahren den Ruhestand verabschiedet wurde. Seit dem Festina-Skandal 1998 hatte der einstige Radprofi als Tourchef vergebens gegen Doping angekämpft.

Die großen Bosse der Teams fehlten diesmal in Paris. Bjarne Riis (CSC), Johan Bruyneel (Discovery Channel) und sogar Hans-Michael Holczer (Gerolsteiner). Rolf Aldag hingegen war da. Der neue Sportdirektor von T-Mobile hatte die Dopingproblematik und weniger die Tourstrecke im Kopf. „Natürlich planen wir die Tour sportlich. Aber ein Großteil unserer Arbeit besteht darin, mitzuhelfen, dass sich die Vorkommnisse des letzten Sommers nicht wiederholen.“ Die Team-Manager der Pro-Tour-Mannschaften wollen nun obligatorische DNA-Proben der Fahrer einführen. Die Neuregelung, mit der mögliche Dopingbetrüger zweifelsfrei überführt werden könnten, soll ab 1. Januar 2007 greifen.

Ein paar Monate später rollt dann die Tour de France 2007 – im Uhrzeigersinn. Von London nach Paris, vom Big Ben zum Arc de Triomphe, dann kommen erst die Alpen, vor den Pyrenäen. Sechs Hochgebirgsetappen mit drei Bergankünften und zwei Einzelzeitfahren sind die extremen Schwierigkeiten auf den 3550 Kilometern und 20 Etappen vom 7. bis 29. Juli. Doch so richtig interessierte der Streckenplan der 94. Frankreich-Rundfahrt unter dem Motto „Le Monde en Jaune“ ( „Die Welt in Gelb“) gestern in Paris eigentlich nicht. Zu gigantisch sind die Dopingprobleme, die das Spektakel im Clinch haben. Es steht ja noch nicht einmal fest, wer denn nun der wirkliche, legitime Toursieger 2006 ist.

Hartmut Scherzer[Paris]

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