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Sport: Schnell in Richtung WM

Die deutschen Handballer gewinnen 32:30 gegen Russland und werden Fünfter bei der EM in der Schweiz

Berlin - In der Halbzeit wurde es noch einmal laut in der Kabine der deutschen Handballer. „Heiner Brand hat in etwas schärferem Ton gefragt, ob wir uns im letzten Spiel die EM kaputtmachen wollen“, berichtete Christian Zeitz von der Ansprache des Bundestrainers. Die ersten 30 Minuten im Spiel um Platz fünf bei der Europameisterschaft hatte die deutsche Nationalmannschaft gegen Russland im siebenten Spiel in zehn Tagen ihre schwächste Leistung geboten. „Wir wollten aus einer stabilen Deckung zu schnellen Kontern kommen, aber das klappte überhaupt nicht“, kritisierte Brand. „Die Russen machten uns da vor, wir es funktionieren kann“, sagte er. Seine Ansprache der etwas heftigeren Art hatte Erfolg: Mit 32:30 (16:18) feierten die Deutschen in Züricher Hallenstadion vor 6500 Zuschauern letztlich doch noch den ersehnten fünften Erfolg bei diesem 7. EM-Turnier. Mit dieser Platzierung erreichten sie die direkte Qualifikation für die Europameisterschaft 2008 in Norwegen.

„Da uns nun eine zusätzliche Anstrengung erspart bleibt, hoffe ich, dass uns der Bundestrainer dann eine zusätzliche Urlaubswoche gewährt“, sagte Rechtsaußen Florian Kehrmann. Doch Brands Antwort kam prompt: „Ich weiß nicht, ob wir uns das leisten können. Wir sind längst noch nicht da, wo wir wieder hinwollen.“ Gegen Russland waren es insbesondere Einzelleistungen von Torhüter Johannes Bitter sowie der beiden Rückraumspieler Christian Zeitz (12 Tore) und Pascal Hens (10), die den 20. Sieg im 40. Spiel gegen das Team von Trainer Wladimir Maximow ermöglichten. Es war ein Erfolg gegen jenes Team, das als einziges von den EM-Spitzenmannschaften auf den alten Handball-Stil setzte. Das extreme Tempospiel, wie es auch die deutsche Mannschaft bereits für die WM 2007 in Deutschland anstrebt, hatten die Russen nur phasenweise drauf. Der Europameister von 1996 erspielte sich damit in der 22. Minute sogar eine Fünf-Tore-Führung (15:10).

Nicht deshalb war Heiner Brand in der Halbzeitpause erbost, sondern weil seine Mannschaft wie in alten Zeiten auf Sicherheit bedacht war und keinen Tempohandball spielte. Vor allem im Zweikampfverhalten brachte dann die zweite Halbzeit eine deutliche Verbesserung. Spitze war die Leistung des DHB-Teams auch da nicht. Wäre die Mannschaft über 60 Minuten zu Topleistungen in der Lage gewesen, hätte sie auch das Halbfinale erreicht. Dies bestritten Spanien gegen Dänemark (34:31) und Kroatien gegen Frankreich (23:29. „Die Mannschaften mit der größten Stabilität und Physis sind letztlich im Finale“, sagte Brand.

Dass den Deutschen zum Einzug ins Halbfinale letztlich nur ein Treffer gefehlt hat, ist eine rein statistische Komponente. Heiner Brand, der 53-Jährige, der die Nationalmannschaft seit neun Jahren trainiert und dessen Vertrag noch bis Olympia 2008 in Peking läuft, verschanzt sich nicht dahinter: „Im Zweikampf haben uns zum Beispiel die Franzosen noch einiges voraus“, sagte er schon nach der Hauptrunde. „Aber wir haben bei dieser EM zumindest eine schöne Vorlage für die WM gegeben.“

Für die WM im eigenen Land im Januar 2007 ist nach der EM das Angebot an Spielern größer geworden. „Wenn die Verletzten wie Oleg Velyky, Holger Glandorf und Markus Baur noch dazustoßen, dann können wir in den nächsten Jahren sicher wieder höhere Ziele anpeilen“, sagte der Weltmeister von 1978 voller Zuversicht. Mit jüngst eingeführten und individuell gestalteten Übungsprogrammen zur Kraftsteigerung will er seine Profis für die größte und längste Weltmeisterschaft der Handballgeschichte stählen. Außerdem hat Brand vor geraumer Zeit mit Hilfe eines 128-Fragen-Katalogs Persönlichkeitsprofile seiner Spieler anfertigen lassen, um damit noch mehr auf jeden Einfluss nehmen zu können.

Die kämpferische Einstellung war während der EM in allen Spielen tadellos. Daran wollte der sonst immer kritische Bundestrainer keine Abstriche machen. Ohne diese Einstellung wäre auch der Sieg gegen Russland nicht möglich gewesen. Brand, der sich in den Tagen von Basel und Zürich immer sehr zurückhaltend äußerte, hatte gestern beim abschließenden Team-Dinner „ein paar lobende Worte für meine Spieler“ übrig. Dass der Wiederaufstieg des DHB-Teams auch der Erfolg seiner Arbeit ist, kommentierte er nur kurz: „Das ist doch meine Aufgabe.“

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